Mit „Prinz Friedrich von Homburg“ blickt das Mainfranken Theater auf die widersprüchliche Rolle des Individuums in einer Diktatur

von Michaela Schneider (erschienen in Ausgabe 3/2019)


Thomas Klenk, Anton Koelbl, Matthias Fuchs und Alexander Darkow.„Träum ich? Leb ich? Wach ich? Bin ich bei Sinnen?“ Es sind Fragen, die sich nicht nur „Prinz Friedrich von Homburg“ im gleichnamigen Drama Heinrich von Kleists stellt.

Es sind auch Fragen, die sich auftun in einer Gesellschaft, in der Rechtspopulismus gesellschaftsfähig zu werden scheint und Säulen der Demokratie ins Wanken geraten. So wirft Regisseur und Intendant Markus Trabusch am Mainfranken Theater Würzburg in seiner verdichteten Inszenierung des „Prinz Friedrich von Homburg“ verstörend aktuelle Themen in den Ring, wenn es um die Spannung zwischen Recht und Moral, um die widersprüchliche Rolle des Individuums in einer Diktatur und um die Legitimität von Macht geht.

Der Prinz ist Schlafwandler – und des Prinzen Traum, der sich wie eine Klammer um die eigentliche Handlung legt, ist Sinnbild für die Innen- und Außenwelt des Protagonisten, für seinen Grenzgang zwischen individueller Freiheit und staatlicher Ordnung. Zum Verhängnis wird dem Freigeist, dass er – träumend – die entscheidende Anweisung vor der Schlacht von Fehrbellin versäumt, eben deshalb im Feldzug siegt, vom Kriegsgericht jedoch zum Tode verurteilt wird. Unter Trabuschs Regie wirken die Ereignisse wie eine verstörende Vision des 21. Jahrhunderts.

Dazu tragen auch die Bildgewalt und die Klangkulisse der Inszenierung bei. Bühnenbildnerin Isabelle Kittnar und Kostümbildnerin Katharina-Maria Diebel ließen sich vom irischen Fotografen Richard Mosse inspirieren, der den brutalen Bürgerkrieg im Kongo mit spezieller Infrarot-Technik dokumentiert hatte. Diese gibt grüne Landschaften in intensivem Lavendel, Purpur oder Pink wieder. Gewissermaßen eine Ästhetik des Bösen, die nun auch die Kriegsereignisse auf der Bühne in verstörende Schönheit taucht. Für die Klangkulisse zeichnet Musiker Adrian Sieber verantwortlich. Seine atmosphärische, beklemmende Komposition ist inspiriert von der experimentellen Rockmusik von Pink Floyd.

Trabusch verzichtet auf einige Figuren des Originals, das bietet der reduzierten Schauspieltruppe die Möglichkeit, die einzelnen Charaktere noch stärker herauszuarbeiten. Dafür nur zwei Beispiele: Martin Liema als Prinz Friedrich Arthur von Homburg bewegt sich breitgefächert zwischen Draufgängertum, verträumter Verliebtheit, Todesangst, Heldentum, Selbstzweifeln und Schicksalsergebenheit. Thomas Klenk, eigentlich als Kurfürst von Brandenburg der Despot auf der Bühne, schafft es, fürs Publikum erschreckend glaubhaft zu vermitteln, weshalb er so strikt am Todesurteil festhält.

Immer wieder halten die Figuren auf der Bühne sichtbar inne. Immer wieder fragen sie sich, wie es weitergehen soll. Immer wieder unternehmen sie Kehrtwendungen. Markus Trabuschs Inszenierung liefert auch dem Publikum Anstoß zur Reflexion: Wohin wollen wir, dass sich unsere heutige Gesellschaft entwickelt?



Bildnachweis: © Nik Schölzel

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