Die Kulturschaffenden der Region unterhalten zu Corona-Zeiten online, aber nicht nur…

von nio (erschienen in Ausgabe 06/2020)

„Bessere Zeiten“ hieß es 2018 auf dem Spielplan des Freilandtheaters Bad Windsheim. Optimismus verbreitet das Ensemble auch in diesem Jahr. Denn es wird gespielt.
„Das Theater ist nun mal kein Schlaraffenland, in dem einem die gebratenen Tauben in den Mund fliegen“, sagte Schauspieler Heinz Rühmann.

Wie recht er hatte, zeigte sich in den vergangenen Monaten. Die Corona-Krise unterbrach den Spielbetrieb und schickte kleine wie große Theater in die Zwangspause. Nach dem ersten Schock, regten sich erste kreative Pflänzchen, die sich durch den Asphalt kämpften, frei nach dem Motto: „Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, dann muss der Berg halt zum Propheten kommen.“
 
Kurzerhand verlegte sich zum Beispiel das Theater Ensemble Würzburg auf YouTube. Regisseur Michael Jansky und sein Homestage-Team entwickelten für Georg Büchners „Woyzeck“ eine digitale Theatervariante, die mehr sein will als einfach nur abgefilmtes Theater. Sie will dem Publikum eine tatsächliche virtuelle Theater-Innovation bieten. Der Startschuss fiel bereits am Tag der geplanten analogen Premiere, dem 22. April. Seither fütterte das Theater seinen YouTube-Kanal mit weiteren Folgen, die jeweils gut 15 Minuten dauern. Darüber hinaus gibt es freudige Offline-Nachrichten zu verkünden: „Ab 15. Juni dürfen Theater wieder öffnen und da sind wir doch gern dabei – für Juni haben wir auf unserem Open-Air-Spielplan: ‚Leonce & Lena‘ sowie ‚Es kann Komik was will‘ und Shakespeares ‚Hamlet‘ spielen wir dann ab 16 .Juli.“
 
„Zwischen Corona-Schlagzeilen und sozialer Distanzierung bringt das Theater Chambinzky Würzburg Konzerte, Lesungen und Theaterstücke auf die Bildschirme, um gegen die Einsamkeit zu Hause zu helfen“, heißt es derweil aus der Valentin-Becker-Straße 2. Auf dem hauseigenen YouTube-Kanal findet sich unter dem Hashtag #KulturgegenCoronaEinsamkeit nun zum Beispiel „Arthur & Claire“ von Stefan Vögel in zwei Teilen. Daneben bespielt das Theater Würzburger Innenhöfe von Krankenhäusern, Alten- und Wohnheime und erreicht so gemeinsam mit befreundeten KünstlerInnen „die Menschen, die auch ohne Pandemie mehr Zuwendung verdienen“. Die Ergebnisse sind mittlerweile ebenfalls auf YouTube zu bewundern. Das größte Würzburger Privattheater ist sich sicher: „Die aktuellen Herausforderungen erfordern Kreativität. Umgeben von KünstlerInnen sind wir im richtigen Umfeld, um neue Dinge auszuprobieren. Wer weiß, vielleicht streamen wir bald ganze Theateraufführungen und Shows auf die heimischen Bildschirme.“
 
Bis 31. August bleiben die Pforten des Meininger Staatstheaters geschlossen. Bis zur Wiedereröffnung im September hat sich das Haus ein neues Online-Format einfallen lassen. In Zusammenarbeit mit Rennsteig TV zeigt das Meininger Staatstheater seit dem 2. Mai den Thüringen-Krimi „Das Schlossgespinst“ von Hans-Henner Hess im Stream. Eine Episode umfasst rund 20 Minuten und wird jeweils von einer Schauspielerin bzw. einem Schauspieler gelesen. Im Stream auf der Theaterwebsite sowie bei Rennsteig-TV sind die insgesamt 27 Folgen immer am Donnerstag, Freitag und Samstag um 19.30 Uhr zu sehen. Eine Wiederholung wird am selben Tag um 23 Uhr und am Folgetag um 10 Uhr ausgestrahlt. Die Aktion dauert noch bis zum 4. Juli. Unter diversen Hashtags finden sich auf den Facebook- und Instagram-Kanälen zudem Stimmen aus den Ensembles.
 
„ETA@home“ heißt es derweil aus Oberfranken. Im Rahmen des neuen Formates am E.T.A. Hoffmann Theater Bamberg, veröffentlicht das Schauspielensemble Beiträge über die theatereigene Website und die Social-Media-Kanäle. Darüber hinaus gibt es Mitschnitte von Inszenierungen auf dem YouTube-Kanal. Zu bestaunen ist etwa ein Mitschnitt von „Die Elixiere des Teufels“ nach E.T.A. Hoffmann unter der Regie von Hannes Weiler aus der Spielzeit 2015/16 oder Katharina Brenner, die „Die Maske des roten Todes“ von Edgar Allan Poe liest. Auf Soundcloud zu hören ist daneben E.T.A. Hoffmanns „Der Sandmann“ – in fünf Teilen, gelesen von Daniel Dietrich.
 
Homestories gibt es unterdessen aus dem Mainfranken Theater Würzburg. In seinem digitalen Theater präsentiert das Vier-Sparten-Haus ein eigens zusammengestelltes Programm „gegen Lagerkoller und Corona-Blues“, darunter finden sich kleine Geschichten und Beiträge aus dem Zuhause der Ensembles. Alle Sparten des Mainfranken Theaters vom Musiktheater über Schauspiel und Tanz bis hin zum Philharmonischen Orchester steuern eigene Angebote bei. Der Unterhaltungsfaktor ist hoch, denn es geht „wild lyrisch“, musikalisch-rätselhaft, abenteuerlustig und sogar äußerst sportlich zur Sache.

Auch das Landestheater Dinkelsbühl musste seine Sommerfestspiele 2020 absagen. Seit 17. Mai gibt es jedoch ein „Extraprogramm“. „Der kleine Vampir – Das Musical“ wird dank einer Sondergenehmigung, die das Landratsamt Ansbach erteilt hat, unter strengen Vorgaben offline aufgeführt. Bei den Aufführungen dürfen lediglich 76 Plätze besetzt sein. Weitere Termine sind im neuen Sommerspielplan einzusehen. „Karten dafür sind jeweils erst zehn Tage vor Vorstellung erhältlich“, heißt es aus dem Theater. Daneben ist die Kult-Komödie „Pension Schöller“ seit dem 5. Juni zu sehen. Sie entführt die Erwachsenen auf der Freilichtbühne ins Berlin der 1920er.
 
Ebenfalls neue Wege geht das Freilandtheater Bad Windsheim, das anders als bisher geplant, sein Stück „Alles kein Wunder“ als Sommerwandeltheater für kleine Zuschauergruppen zeigen wird. Angedacht ist ein „Theater im Freien, mit viel Luft und Raum für Publikum und Ensemble“. Der Premierentermin ist für Mitte Juli anberaumt. Unterstützt werden kann das Theater mit dem Kauf einer sogenannten „Wunderkarte“. Damit erhalten die Besucher ein Vorkaufsrecht für ihre Theaterkarte für die kommende Freilandtheaterproduktion.
 
Die Kreuzgangspiele in Feuchtwangen legen derweil ein Sonderprogramm für diesen Sommer auf: Vom 1. Juli bis zum 16. August gibt es einen Sonderspielplan mit 80 Vorstellungen. Geboten werden Theaterstücke für Kinder und Familien sowie Abendproduktionen für Erwachsene im Kreuzgang und im Nixel-Garten. Alles wird den behördlichen Anordnungen angepasst, Abstände sollen in jedem Fall eingehalten werden, und auch die Programme auf der Bühne werden den Vorgaben gemäß inszeniert. Los geht es am 1. Juli mit „Passionen“ frei nach Giovanni Boccaccios „Decamerone“. Bis 16. August begegnen sich hier unterschiedliche Charaktere. Sie treffen sich wie bei Boccaccio je aus einem anderen Grund: Aus Liebe, aus Hoffnung auf Glück oder Freiheit, als Ausbruch aus dem alten Leben oder als Flucht vor vergangenem Leid, aus Neugier, aus Lust. Wie in der Geschichtensammlung widmen sie sich jede Woche einem neuen, spannenden Thema, mal musikalisch, mal szenisch, mal poetisch, mal experimentell. Alles ist möglich, Vieles ist erlaubt und nur Eines ist sicher: Jeder Abend und jedes Thema ist einzigartig. Die sieben Themen der Kreuzgangspiele sind: #Welt, #Glück, #Wünsche, #Herzschmerz, #Klugheit, #Paare und #HappyEnd. Regie führt Johannes Kaetzler. Die musikalische Leitung haben Bernd Meyer und Ulrich Westermann übernommen. Der Nixel-Garten wird in diesem Jahr nach einer langen Umbauphase in Gänze fertiggestellt sein. Los geht es dort am 10. Juli mit Joop Admiraals „Du bist meine Mutter“ – einem Schauspiel über das Erinnern und das Vergessen. Auch das Konzert der Reihe KunstKlang mit Sopranistin Christiane Karg am 3. Juli findet statt. Zu hören ist „Des Knaben Wunderhorn“ allerdings im Kreuzgang.
 
Und wie steht es mit dem Sommertheater am Schützenhof in Würzburg? Vom 11. Juli bis 15. August soll hier erneut „Drei Schoppen für ein Halleluja“ gezeigt werden. Noch ist das Ensemble „wild entschlossen“ und sagt: „Wir stehen quasi Winchester bei Fuß.“ Aufgrund der derzeitigen Lage könne man aber noch nicht definitiv planen (Stand zum Redaktionsschluss des Leporello).
 
Definitiv scheinen jedoch die Pläne in Maßbach. „Wir haben ein Konzept zur Eröffnung der Freilichtsaison unter Corona-Bedingungen ausgearbeitet“, heißt es aus dem Theater Schloss Maßbach – Unterfränkische Landesbühne. Ab dem 3. Juli bis Mitte September wird hier „Honig im Kopf“ auf der Freilichtbühne zu sehen sein.
 
Fest steht außerdem eines: Wenn Heinz Rühmann von einer Theaterwelt spricht, die „kein Schlaraffenland“ sei, kann er definitiv nicht die Theater dieser Region gemeint haben. Die Corona-Pandemie hat die Kulturschaffenden an ihre Grenzen und darüber hinausgeführt. Doch selbst in den theater­unwirtlichsten Zeiten ever stellen die hiesigen Kreativen ein Angebot auf die Beine, on- und offline, das bewundernd staunen lässt oder wie Kulturschaffende wie Andreas Büettner, Leiter des Theater Ensembles in Würzburg kürzlich im Kulturello-Statement gesagt hat: „Kultur kommt von Krise“. Und der Intendant des Schweinfurter Theaters und Kulturamtsleiter von Schweinfurt Christiane Federolf-Kreppel zitierte im Kulturello Albert Camus: „Mitten im tiefsten Winter wurde mir endlich bewusst, dass in mir ein unbesiegbarer Sommer wohnt.“ Chapeau!

Bildnachweis: Andreas Riedel

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