Valerie Kiendl und Karolin Benker denken in „K*HausX“ im Theater Ensemble über Kaspar Hauser nach

von Pat Christ (erschienen in Ausgabe 2/2019)

Dass es keine Antwort auf die Frage gibt, woher Kaspar Hauser kommt, verschafft Valerie Kiendl (links) und Karolin Benker Spielraum für eigene Assoziationen. Foto: Pat ChristIn den „Rheinischen Blättern für Erziehung und Unterricht“ von 1932 ist beschrieben, wie Kaspar Hauser die Zeit in Gefangenschaft zugebracht hat. Stets barfuß auf dem Boden hockend. Ohne je Sonnenlicht zu sehen. Brot und Wasser waren seine einzige Nahrung. Würde das ein Mensch zehn Jahre lang überleben?

Solche Fragen treiben Kaspar-Hauser-Forscher bis heute um. Auch Valerie Kiendl und Karolin Benker gehen in „K*HausX“ dieser, allerdings noch vielen weiteren Fragen nach. Im ersten Teil ihrer eineinhalbstündigen Inszenierung, die noch bis 24. März auf der Experimentalbühne des Theater Ensemble zu sehen ist, sperren die beiden ihren Kaspar Hauser in einen transparent verkleideten Käfig. Darin vergnügt er sich. Selbstvergessen. Sich selbst bespiegelnd. Offensichtlich sich selbst genügend. Er braucht niemanden. Er hat keine Angst. Er vermisst nichts. Ist ein solcher friedlicher Selbstbezug, vorausgesetzt, man wird, wie Hauser, mit dem Allernötigsten versorgt, nicht besser als die Gesellschaft, wo einer dem anderen ein Wolf ist? Wo das Böse herrscht? Wo das Böse herrschen kann, weil es jedem erlaubt ist, für sich selbst so viel zu raffen, wie man es nach Geschick und Gerissenheit nur vermag? Das Ja zum Privateigentum und das Ja zur Akkumulation verderben doch „draußen“ alles!

Kann Hausers Kerker nicht als schützende Bastion angesehen werden? Solche Überlegungen durchziehen den zweiten Teil des „Reenactments“. Die Frage, ob es sich bei der Menschheit doch nur um einen Club bösartiger Egomanen handelt, bleibt letztlich offen. Für Valerie Kiendl und Karolin Benker scheint ziemlich viel für diese Annahme zu sprechen. Allerdings wollen sie selbst lediglich anmerken und zu bedenken geben. In der Pause ist das Publikum aufgefordert, sich Gedanken zu machen: „Was bedeutet Kaspar Hauser Ihnen?“

Bildnachweis: © Pat Christ

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