Leporello im Gespräch mit dem Schauspieldirektor des MainfrankenTheaters

von Susanna Khoury

Die erste Inszenierung von Bernhard Stengele am MainfrankenTheater ist Schillers „Wilhelm Tell“.

Und wer ihn mit seinem Balladenprogramm "Sie haben nämlich Entenfüsse", zusammen mit Pianist Paul Amrod zum Ausklang des Theaterfestes erstmals auf der Bühne erlebt hat, kann es kaum erwarten, dass er dieses Versprechen einlöst. Er ist präsent ohne aufdringlich zu sein, sensibel ohne kitschig zu wirken, Schauspieler, Rezitator und bei allem ein genialer Entertainer. "Ich lerne gerne kennen, ich kann besser agieren, wenn ich weiß wovon ich spreche", so der gebürtige Allgäuer weiter. Vielleicht ist das ja auch der Grund, warum er in der neuen Spielzeit zunächst einmal nur inszeniert und außer in seinem Balladenprogramm nicht selbst auf der Bühne zu sehen sein wird (schade eigentlich!). Und verwunderlich ist es dann auch nicht, dass er sich mit der Figur "Stauffacher", seiner ersten Produktion in der Jubiläumsspielzeit "Wilhelm Tell" von Friedrich Schiller am meisten identifizieren kann, "Stauffacher" analysiert die Situation, versucht das Richtige zu tun und schreitet mutig voran. "Stauffacher" liegt mir mehr als "Tell", der mit all dem nichts zu tun haben will, aber wenn jemanden totgeschossen werden soll, da ist - wobei ich diese Mentalität natürlich auch in mir habe", gibt er aus Konstanz frisch Angereiste zu. Auch habe er ein bisschen von "Geßler", der Macht ausübt, Entscheidungen trifft, die andere nicht verstehen oder gutheißen und mit der Einsamkeit an der Spitze klarkommen muss, gerade durch seine neue Position als Schauspieldirektor am Haus.

Bei der Frage, wie er "200 Jahre Tell zum 200jährigen Theaterjubiläum" verstanden haben möchte, zögert der versierte Theatermann etwas. "Wir leben in einer Zeit, in der es schwierig geworden ist, ethische, moralische Grundsätze zu formulieren und die Rezeption passiert sowieso im Auge und Ohr des Betrachters, aber wenn wir es schaffen, Grundfragen zu stellen: "Wie kann das Individuum die Gesellschaft verändern?" oder "Rechtfertigt eine Veränderung innerhalb der Gemeinschaft den Mord?", ist schon viel gewonnen", resümiert Stengele. Apropos Gesellschaft, der nicht nur Theater, sondern auch fernsehfilmerfahrene Schauspieler, freut sich über eine weitere Produktion, die regietechnisch in seinen Händen liegt, "Die Präsidentinnen" von Werner Schwab. Genau in diese Spannung zwischen den Idealen in "Tell" und den Ansichten eines wahnsinnig verzweifelten Mannes wie Schwab, der nur noch an die Kloake glaubt, befinde sich unsere Welt. "Ich möchte auch an Ideale glauben, nur ist alles sehr kompliziert geworden dieser Tage und deshalb ist auch bei mir viel zerstört", plaudert der Regisseur, der ganz sicher nicht den intellektuellen Zugang zu den Stücken sucht, aus dem Nähkästchen.

Für die tägliche Arbeit mit ihm bedeutet das, bevor jemand sich am Text versucht sind erst einmal Stimmübungen und allgemeines Körpertraining angesagt. "Ich möchte den Ensemblegedanken stärker in den Vordergrund rücken, daher entwickelt sich "Tell" auch aus dem Chor der Schweizer Männer und Frauen und ist kein Protagonistentheater". Das mittelfristige und langfristige Ziel seiner Bemühungen sei eine stärkere ästhetische und energetische Geschlossenheit des Ensembles, die er bisher nicht gesehen hat. Und so macht sich der "Herr" zum "Knecht" des "Knechtes" zugunsten des Ganzen, womit der Bogen zu seiner dritten Schauspielproduktion 2004/05 gespannt ist, Samuel Becketts "Endspiel". Auch hier geht wieder die Schere zwischen Kopf und Bauch auf, zwischen intellektuellem Wissen der Protagonisten und Menschlich-Allzumenschlichem. Der sinnliche Inszenierer Stengele, wie er sich selbst beschreibt, will seine Schauspieler hier zu größtmöglicher Einfachheit bewegen. "Man darf Beckett nicht überfrachten, den Figuren nicht mehr Wissen geben als sie haben. Sie müssen das sagen, was sie sagen.

Die Reduzierung auf das Einfache ist der Schlüssel zu Beckett", erläutert der Regisseur der bereits "Warten auf Godot" am Staatstheater Saarbrücken erfolgreich inszeniert hat. Wer Theaterarbeit ein wenig kennt, weiß, dass das Einfache erst einfach wird, wenn es einen langen Prozeß mit viel Schweiß, Fleiß und manchmal auch Tränen durchlaufen hat, um dann ganz einfach und authentisch zu sein. Bernhard Stengele hat die Ärmel schon hochgekrempelt, ambitioniert alles an Wissen, Kraft und Gefühl zu investieren, um bestmögliches Theater zu machen. "Ich bin wo ich bin, bereit mit komplett auf das Hier und Heute einzulassen. Ich möchte Theater für die Menschen in Mainfranken machen, ohne populistisch zu sein", und um auf den Anfang zurückzukommen, er will ja schließlich "dicke Bretter bohren". Toi, toi, toi!

INFO:
Der Schauspieldirektor am MainfrankenTheater Bernhard Stengele hat sich sofort in Würzburg verliebt, nicht zuletzt wegen der Kulinarik in Franken. Essen und Trinken spielen für den sinnlich orientierten Theatermann eine große Rolle.

„Ich muss nicht in einem Jahr hier ein Strohfeuer entfacht haben, um dann weiß der Geier wohin zu springen. Ich bin hier um dicke Bretter zu bohren“, betont der neue Schauspieldirektor des MainfrankenTheaters Bernhard Stengele (41).

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