Volker Lechtenbrink im Gespräch mit Leporello über sich und seine Rollen

von Nicole Oppelt (erschienen in Ausgabe 6/2012)

„Ich war schon immer ein entschlossener Bursche, ich wusste genau, was ich wollte“, sagt Lechtenbrink.Porträts haben in der Regel eine Tücke: Sie geben nur einen kleinen Ausschnitt der Persönlichkeit wieder.

Auch dem bekannten Schauspieler, Regisseur, Theaterleiter und Sänger Volker Lechtenbrink (67) ist das im Laufe seiner Karriere nicht nur einmal widerfahren. Ungenauigkeiten ärgern ihn, Unwahrheiten noch mehr. Dennoch, Vorgaben oder gar Vorschläge ob der Herangehensweise will er im Gespräch mit Leporello natürlich keine machen.

„Das geht doch gar nicht!“ Spontan haben sich die Gesprächspartner zusammengefunden, und genauso ungezwungen sollte das dann auch verlaufen. Die künstlerische Freiheit, die Lechtenbrink sich etwa in seiner Bearbeitung des bekannten Shakespeare-Stoffs „König Lear“ genommen hat, obliegt auch hier dem Verfasser.

In Bad Hersfeld ist der einstige Intendant der Festspiele (1994-1997), die 2012 unter der Schirmherrschaft von Martin Schulz, dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, stehen, in diesem Jahr in einer echten Paraderolle zu sehen. Zwei Rollenvorschläge der Intendanz hatte er zuvor abgelehnt. Dann der Treffer: Es ist der König Lear! Ein Charakter übrigens, den er schon immer habe spielen wollen.

„Es ist eine der schönsten, profundesten und schwersten Rollen, die es gibt. Sie hat unendlich viele Facetten und einen hohen Fall“, schwärmt er von der selbstauferlegten Herausforderung. Die Fassung, die gespielt wird, hat er übrigens vor 15 Jahren für die Ruine geschrieben. 2012 wird sie in einer gekürzten Fassung gespielt.

Shakespeare überhaupt begleitet Lechtenbrink schon während seiner gesamten Karriere. Und die beginnt so ungewöhnlich, dass sie sich auch ein Autor nicht besser hätte ausmalen können.

Mit zarten acht Jahren nahm er seine Zukunft bereits selbst in die Hand, wandte sich an den NWDR (später NDR) und durfte prompt in einer Radiosendung mitmachen. „Das war einer der wichtigsten Schritte meines Lebens“, ist er überzeugt, war es doch ein Spiel, dessen Auswirkungen er sich damals so gar nicht bewusst gewesen sei.

Dennoch, der Anfang war gemacht. Das, was danach folgte, hat Lechtenbrink in seinen Erinnerungen aus dem Jahr 2010 „Gib die Dinge der Jugend mit Grazie auf“ aufgeschrieben. „Lesen Sie mein Buch, dann wissen sie alles“, gibt er Leporello mit auf den Weg.

Eine Mahnung an die Gesellschaft? Ein erhobener Zeigefinger in Richtung Kollegen? Mitnichten. „Ich wollte nie ein Vorbild sein, nicht mal für meine Kinder. Ich wollte ein Leben leben, was sie akzeptieren und auch spannend finden“. Dass sein Weg der einzig richtige sei, von solchen Gedanken ist Lechtenbrink kilometerweit entfernt. Anderen zu sagen, wie sie zu sein hätten – das würde er sich nie anmaßen.

Das bekannte Zitat aus „Desiderata“ von Max Ehrmann, das gleich eine ganze Reihe von Lebensweisheiten parat hält, ist, wie er selbst sagt, spröde, nicht ganz gewöhnlich, aber „es entspricht ja auch meiner Lebensauffassung“. Der Jugend nachhängen, versuchen künstlich jugendlich zu bleiben, unpassende Attitüden. Altersgemäß solle man sein, im Geist faul und träge allerdings nicht.

Das gelte übrigens auch für die schreibende Zunft, die immer wieder in den gleichen Gräben bohre: „Wenn das Leben nur aus Vergangenheit bestehen würde! Ich mache ja so viel in der Gegenwart und hoffentlich in der Zukunft. Das ist doch viel spannender als das, was man vor 40 Jahren gemacht hat.“ Es gäbe eben Dinge, die müsse man nicht ständig wiederholen.

Andere, wie den Hinweis auf seinen allerersten Film „Die Brücke“, den er im zarten Alter von 14 gedreht hat, finde er aber durchaus schön. Darauf, so gibt er unumwunden zu, sei er wohl sein ganzes Leben lang stolz. „Ich wollte schon immer Schauspieler werden. Seit ich denken kann, habe ich Kasperletheater gespielt. In meinem Kopf war nie etwas anderes. Ich wollte immer spielen, spielen, spielen.“

Ob es ohne diese grandiosen Anfänge allerdings so gelaufen wäre, da ist er sich gar nicht so sicher. Gerne erinnert sich Lechtenbrink an diese Zeit zurück. „Ich fand meine Jugend toll. Ich habe sie genossen.“ Auch seinen Status als Schlüsselkind. Denn immer schon sei er auch jemand gewesen, der viel mit sich selbst habe anfangen können. In Bad Hersfeld muss er das natürlich nicht.

„Es ist wie nach Hause kommen“, fasst er sein neuerliches Erscheinen auf der weithin bekannten Bühne zusammen. Ganz weg gewesen, das zeigt ein Blick ins Programm, war er zwar eigentlich nicht. Doch in diesem Jahr habe man den Wunsch der Bad Hersfelder erhört und „ihren“ Volker Lechtenbrink zurückgeholt.

„Das war sehr beglückend. Nach 15 Jahren bin ich mit so viel Wärme und Liebe empfangen worden. „Vor 15 Jahren gab übrigens Michael Degen den König Lear in meiner Inszenierung.“ Dass es erneut „ein spannender und aufwühlender Theaterabend wird“, davon ist Lechtenbrink jedoch schon jetzt überzeugt.

Und Schluss sei danach ohnehin noch lange nicht. „Wir spielen immer!“

Bildnachweis: Bad Hersfelder Festspiele

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