Im Gespräch mit Theaterleiter Rainer Binz über 30 Jahre Chambinzky in Würzburg

von Susanna Khoury (erschienen in Ausgabe 9/2013)

Am 27. September feiert das Würzburger Theater Chambinzky 30. Geburtstag.

Grund und Anlass, sich mit Impresario Rainer Binz über die Bretter in der Valentin-Becker-Straße, die für ihn sein halbes Leben schon die Welt bedeuten, zu unterhalten. „Kunst ist das, was ein Schauspieler zeigt und ein Regisseur umsetzt, indem er den Autor gebührend berücksichtigt.

Daraus entsteht ein Kunstwerk, und wenn das gefällt, hat man alles richtig gemacht!“ In den 328 Vorstellungen bis zum 30. Geburtstag hat er als künstlerischer Leiter des kleinen Theaters sehr oft alles richtig gemacht.

Wie es euch gefällt…

Und das Geheimnis ist ein offenes: Er spielt 60 Prozent gehobene Komödie, 20 Prozent Boulevard und 20 Prozent Schauspiel (Letzteres meist im KuZu, der mit 70 Plätzen im Keller kleineren Off-Bühne, die er seit zwei Jahren zusätzlich zum großen Saal oben bespielt).

Darüber hinaus setzt der Sohn eines Tuchhändlers auf unterschiedliche Regie-Stile von eher konservativ (mit Gwendolyn von Ambesser) bis hin zu modern (mit Martina Esser) und einer bunten Palette an Inszenierenden dazwischen.

„Dadurch entsteht Farbe“, meint der Chef des Hauses. Sein Händchen für die goldrichtige Mischung hat sich über die Jahre bewährt.

Ein Dauerbrenner im Chambinzky ist „Die Feuerzangenbowle“ (nach einem Roman von Heinrich Spoerl), die sich das Publikum jedes Jahr aufs Neue wünscht und mit ausverkauften Vorstellungen honoriert. Binz spielte den „Pfeiffer“ bereits über 300 Mal.“Anders als vielleicht bei anderen Bühnen, richte ich meinen Spielplan nach den Wünschen der Zuschauer aus, betont Binz und hängt gleich die nächste Frage an: „Warum sollte ich dem Zuschauer was er sich wünscht vorenthalten, nur weil ich glaube große Kunst machen zu müssen?“

Wobei, wer glaubt, Boulevard wäre keine große Kunst, täuscht sich gründlich. Wirklich „komisch“ zu sein, ist beinahe das Schwerste.

Warum er sich so kurz vor dem 60. Lebensjahr das nochmal „angetan“ habe, das Chambinzky um eine neue Spielstätte zu erweitern, wisse er auch nicht, sagt der erfahrene Theatermann schmunzelnd.

„Um sich immer wieder zu erfrischen wahrscheinlich.“ Sich neu zu erfinden ist das A und O in diesem Metier, jeden Tag aufs Neue. „Mein Hauptjob ist Beobachter“, so Binz.

Er gehe schon immer wachen Auges durchs Leben. So finde er Schauspieler im Baumarkt und im Gespräch mit dem ehemaligen Postminister, Dr. Wolfgang Bötsch.

Sein liebstes Stück in „30 Jahren Chambinzky“ war „Die Geschichte vom Soldaten“ (Strawinsky/Ramuz)1990) in Zusammenarbeit mit der Musikhochschule unter der Regie von seinem kürzlich verstorbenen Freund und Kollegen Wolfgang Schulz.„Elementar wichtig sei es darüber hinaus, Gesellschaft und Politik zu beobachten, auf Gegebenheiten zu reagieren und aus Erfahrungen zu lernen!“ Neugier ist eine seiner hervorstechendsten Eigenschaften und die habe auch im Alter nicht abgenommen, ebenso nicht seine Ausdauer und sein Kampfgeist.

Hingegen sei er harmoniebedürftiger geworden und rege sich nicht mehr so oft und schnell auf.

Wenn ihn jedoch etwas wirklich am Herzen liege, suche er immer noch die Konfrontation. Denn aus jedem Disput gehe mehr Konstruktives hervor als aus Schweigen und Verheimlichen, insistiert der Advocatus Diaboli der freien Szene. Worüber man mit ihm nicht diskutieren braucht, sind Auszeichnungen und ein Sichselbstfeiern.

„Ich möchte von meinem Publikum gewürdigt werden und keine Kulturmedaillen bekommen“, sagt Binz.

Und daher wird er seinen 60. und den 30. Geburtstag seiner Bühne im über- schaubaren Kreis vor rund hundert geladenen Gästen begehen mit Weggefährten, Freunden und seiner Theaterfamilie im Würzburger Kult-Theater Chambinzky.

INFO: www.chambinzky.com

Bildnachweis: Khoury, Theater Chambinzky Archiv, depositphotos.com©ElenaGarba

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