„Manchmal muss man auch die Klappe halten“, meint Comedian Bülent Ceylan

von Nicole Oppelt (erschienen in Ausgabe 2/2010)

Die Kritiker loben seinen Charme. Das Publikum liebt sein Bad in der Menge. Wenn der Mannheimer Comedian Bülent Ceylan die Bühne betritt, dann wird es meist „Ganz schön türbülent“. Der Halbtürke mit der langen, schwarzen Mähne schlüpft in die verschiedensten Rollen und nimmt die Zuschauer mit auf einen atemberaubenden Ritt zwischen „genießen, lachen und kichern, prusten und brüllen“. In wahrer Rockstar-Manier beweist er fast allabendlich, warum er zu Recht den deutschen Comedypreis als bester Newcomer 2009 absahnen konnte. Doch der studierte Politikwissenschaftler und Philosoph, der zudem als ausgewiesener Meister des „Monnemer Slangs“ gilt, kann auch ganz anders. In einer kurzen Begegnung mit Leporello verrät der Aufsteiger, wie es sich verhält mit der „Macht“, der „Zeit“ und vor allem „Lüge & Wahrheit“:

MACHT

“Es gibt da eine Nummer in meinem Programm, in der ich Macht ausübe und ins Publikum gehe. Natürlich haben sie Angst davor, was passiert. Doch zu deren Überraschung geschieht eben nicht viel. Ich nutze die Macht über sie nicht aus. Zugegeben, es ist ein schönes Gefühl, die Leute gehen mit, aber das missbrauchen? Nein. Man muss immer auf dem Boden bleiben – und zwar nicht nur auf der Bühne. In der Politik verhält es sich genauso. Manchmal haben wir es auch hier mit Comedians zu tun. Etwas durchsetzen wollen sie aber alle. Dabei dürfen sie nur nicht den Kant’schen Imperativ vergessen. Denn ihnen geht es gut. Sie leben in einer anderen Welt, müssen aber den Blick auf den kleinen Bürger richten, sich hineinfühlen. Die Gefahr ,die Realität aus den Augen zu verlieren ist hier sehr groß. Über Vorhaben reden, das ist leicht. Wichtig ist aber, sich unters Volk zu mischen, es zu erleben, sich Zeit nehmen. Sonst verliert sich die Bodenhaftung. Wohin das führen kann, haben wir alle unter Bush gesehen. Hatte das noch etwas mit Demokratie zu tun? Selbst hätte er an die Front gehen müssen. Ich will kein Politiker sein – und es besser wissen schon gar nicht. Doch klar ist: an die Macht wollen sie alle. Auch, wenn etwa Angela das nie so offen zugeben würde.“

ZEIT

“Man merkt es mit dem Alter: Die Zeit rennt. Das geht mir genauso. Ich bin jetzt 34 Jahre alt und momentan ständig auf Tour. Aber bis dahin war es ein langer Weg. Zehn Jahre habe ich gearbeitet, um dort hin zu kommen, wo ich jetzt bin. Rückblickend ist das aber gar nicht so lange. Bewusst wird mir das nur, wenn mich Menschen auf Auftritte ansprechen, die schon ein Jahr oder länger zurück liegen und ich mein Zeitgefühl plötzlich in Frage stellen muss. Oder als ich mich kürzlich mit meinem Bruder getroffen habe. Viel öfter sollten wir das tun. Man macht so viel, ist dauernd unterwegs. Das Leben geht so schnell vorbei. Man weiß nie, was als nächstes kommt. Carpe diem!, lautet ein simpler Spruch. Der ist einfach gesagt, stimmt aber voll und ganz. Selbst daran halten kann ich mich allerdings auch nicht immer, gerade morgens nach dem Aufstehen ist der Kopf noch voller Pläne. Dann stellt sich meist schnell heraus: Der innere Schweinehund, der nicht überwunden werden kann, ist stärker. Das regt mich selbst am allermeisten auf.“

WAHRHEIT & LÜGE

“Ein heikles Thema. Bei der Wahrheit zu bleiben ist ja ganz schön. Aber viele wollen die doch gar nicht hören. Die sind dann auch noch beleidigt! Das fängt doch schon bei Kleinigkeiten an. Böses Beispiel: Der Partner hat zugenommen. Was sagt man dann, wenn er fragt? Da gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder etwas nettes sagen oder gar nichts. Ich halte das genauso. Komplimente teile ich gerne aus. Ansonsten muss man auch mal die Klappe halten, denn der Gentleman schweigt. Gerade in einer Beziehung darf nicht alles gesagt werden. Das könnte verletzen. Bei Komikern ist das ähnlich. Wir müssen das Publikum gut „abchecken“ können. Da wundert es schon, dass einige abseits der Bühne sehr unsicher sind – Namen nennen wir hier natürlich keine. Bei mir selbst ist das anders. Ich komme aus einem guten Umfeld, habe mir alles erarbeitet und bin in meinen Beruf hineingewachsen. Kurzum: ich bin bodenständig und muss privat nicht immer witzig sein. Wenn ich aber auf die Bretter steige, dann mache ich das mit Herzblut. Das kommt auch bei den Franken ganz gut an. Mit ihnen ist es immer wieder Rock’n’Roll. Denn ich versuche sie abzuholen, mich hinein zu versetzen. Da kommt auch schon mal das alte Bayern versus Franken zur Sprache. Halten wir also fest: es ist wichtig, authentisch zu bleiben und mit dem Publikum zu spielen.“

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