Die rätselhafte Faszination Eric-Emmanuel Schmitts

von Lothar Reichel

Mit Stücken wie »Enigma«, »Der Freigeist«, »Hotel zu den zwei Welten« und der »Trilogie des Unsichtbaren« hat Eric-Emmanuel Schmitt, hier im Gespräch beim Roten Sofa, Leser und Zuschauer in den Bann gezogen.Endlich bin ich ihm begegnet. Und habe wieder einmal bedauert, kein Französisch zu können. Denn mit einem Mann wie Eric-Emmanuel Schmitt müßte man natürlich in seiner Sprache parlieren, um seinen Esprit richtig zu goutieren. Parlieren, Esprit, goutieren... nein, das sind nicht nur die Klischees, die man halt mit einem französischen Autor verbinden möchte. Es sind Worte, die einem unwillkürlich in den Sinn kommen, wenn man seine Stücke sieht oder liest. Und die sich wieder einstellen, wenn man ihm in persona begegnet.

Vor ein paar Jahren war sein Stück "Enigma" - im Schweinfurter Theater und dann in den Würzburger Kammerspielen mit Ingo Klünder in der Hauptrolle - eine Offenbarung. Einerseits fast ein Krimi, weil sich das wahre Geschehen um den Briefwechsel zwischen einem Bestsellerautor und der großen Liebe seines Lebens in immer neuen überraschenden Wendungen erst allmählich enthüllte. Andererseits eine unglaublich geistreiche Abhandlung über die Liebe, den Sex, die Religion, über Lüge und Wahrheit, Schuld und Verzweiflung.

Dann der "Freigeist", ein ebenso leichtfüßiger Parforceritt durch die Welt der französischen Enzyklopädisten - elegante Bühnenphilosophie über den Philosophen Denis Diderot und über die Moral in all ihren Facetten.

Ach, wenn nur deutsche Autoren so schreiben könnten wie Schmitt... Oft habe ich mir das gewünscht, und schließlich bei den drei Monologen über die Weltreligionen, der "Trilogie des Unsichtbaren" hinzugefügt: ...und wenn nur Theologen so denken und formulieren könnten.

Durch die Begegnung jetzt in Würzburg anläßlich der Uraufführung seines dritten Monologs "Letzte Nacht auf Erden" bekommt das Bild eine weitere Facette: der Mensch Eric-Emmanuel Schmitt. Charmant, geistreich... wie erwartet. Nicht ganz so sprudelnd, eher zurückhaltend, fast schüchtern. Ein tiefgründiger Humor. Und ein starker religiöser Impetus: Seit einer Wüstennacht in der Sahara, in der er - verirrt und verloren - um sein Leben fürchtete, hat der Agnostiker zum Glauben gefunden. Er hat die Religionen dieser Welt durchstreift, macht jetzt Station beim Christentum. Aber das sei nicht das Ziel der Reise, meint er, sondern nur ein Anfang.

Ich komme ins Grübeln. Bei allem Respekt vor seinen persönlichen Erlebnissen und Erkenntnissen: damit steht er in einer gewissen französischen Tradition, die Namen wie Antoine de Saint-Exupéry, Paul Claudel, André Gide aufweist. Sie alle fanden auf eine etwas geheimnisvolle Weise zum christlichen Glauben. Ich muß an Abel Znorko denken, den zynischen und doch so tief verwundbaren Bestsellerautor aus Schmitts "Enigma". Weil er dort über das Recht des Schriftstellers spricht, sich die Wahrheit und die Welt so zurechtzulegen, wie er es für seine literarische Arbeit braucht.

Ach ja, Eric-Emmanuel Schmitt fordert immer wieder zum Nachdenken, Rätseln, Staunen heraus. Deshalb ist er ein großer Schriftsteller. Als nächstes will er wieder über die Liebe schreiben. Darauf darf man sich freuen.

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