Würzburger Theatermenschen: Manfred Lindner

von Werner Häußner

Manfred Lindner bei einer Probe am Stadttheater Würzburg im Jahr 1980.Über dem Klavier hängt Johann Sebastian Bach. Ungewöhnlich für einen Dirigenten, der sich der gering geschätzten Kunst der Operette gewidmet hat? Manfred Lindner will da keinen Gegensatz sehen, setzt sich ans Instrument und improvisiert "Mein Herz hat heut Premiere", einen Schlager aus den dreißiger Jahren: "Hören Sie, wie das durchkomponiert ist!"

Den bildungsbürgerlichen Unterschied zwischen "unterhaltender" und "ernster" Musik hat Lindner nie nachvollzogen: "Als ich 1965 ans Stadttheater Würzburg kam, war Erich Riede GMD. Der Mann war der hohen Kunst geweiht. Den Operetten-Tingeltangel, den sollte der Lindner machen." So beschreibt der heute Achtzigjährige die damalige Einstellung. "Ich war ein Einzelkämpfer, konnte selbständig arbeiten". Spielplan gestalten, Besetzungen festlegen, den Würzburgern das Musical nahe bringen: Das hat Lindner gereizt, die Berliner Luft mit dem Würzburger Duft nach Beamtenstuben und Schulzimmern zu tauschen. Die Aussicht, am neuen Theater zu arbeiten, der Wein und die Atmosphäre der Stadt haben Lindner schließlich festgehalten: 25 Jahre lang war er "der" Operettenkapellmeister. Wenn er dem Publikum entgegenlächelte, mit Fliege und in weißem Smoking, wenn er seine beredten Hände im Strahl des Spots agieren ließ, wenn er dem Orchester Drive, Rhythmus und Sentiment entlockte, dann wußte das treue Würzburger Operettenpublikum: "Unser" Lindner ist wieder aktiv, aus dem Graben kommen Optimismus und Energie, wir werden zwei unterhaltsame Stunden haben.

Machte sein Hobby zum Beruf

Zur Operette geboren war Lindner nicht. Aus Zittau stammend, wollte er nach der üblichen Kriegs-"Karriere" junger Leute Jura studieren. Das wollte die SED nicht, weil er kein Arbeitersohn war. Lindner verschwand nach West-Berlin und machte das Hobby zum Beruf. Er studierte Komposition.

"Bald merkte ich, dass ich kein Henze und kein Stockhausen werde." So sattelte er um, wurde Kapellmeister und trat seine erste Stelle 1952 an, in Neustrelitz. Dort dirigierte er alles: Freischütz und Onegin, Puccini und Mozart. Weil er eine Westberlinerin geheiratet hatte, konnte er 1957 offiziell aussiedeln. Lindner dirigierte im Titania-Palast, machte die "Lustige Witwe" mit Johannes Heesters, tingelte nachts noch im Kabarett, leitete eine Tournee von Mozarts "Entführung" durch Italien, wurde immer wieder in Kritiken wegen der Leichtigkeit seiner Hand gelobt. Nach einer Zwischenstation in Hildesheim kam er in Würzburg ans Haus am Wittelsbacherplatz und eröffnete 1966 die Operettensaison im neuen Theater mit Franz Léhars "Graf von Luxemburg". 86 Premiere hat er hier bis 1990 verantwortet, über 2100 Vorstellungen hat er dirigiert. Und was ist das Geheimnis einer guten Operettenaufführung, die mindestens so schwer ist wie eine "große" Oper? "Die Künstler müssen sie aus Überzeugung machen, nicht aus Zwang". Theater, das muss eine Leidenschaft sein.

Bildnachweis: privat

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