…der scheidende Generalmusikdirektor des Mainfranken Theaters, Jonathan Seers, nun?

von Lothar Reichel (erschienen in Ausgabe 7-9/2011)

„Das Leben besteht nicht nur aus Chefsein.“ Sagt einer, der jetzt noch einmal Chef war und vorerst keiner mehr sein will: Jonathan Seers, der scheidende Generalmusikdirektor des Würzburger Mainfrankentheaters. Er kam 2009 an sein früheres Haus zurück, um es „musikalisch zu retten“, bürstete seitdem das Orchester wieder auf den alten Glanz und will nun wieder das tun, was er seit dem Jahr 2000 getan hat: als freier Künstler leben und arbeiten.

Jonathan Seers, ein Brite mit leisen Zwischentönen, deutet nur an, was ihn bewegt oder eben auch nicht bewegt. Das Wort Karriere, das sonst viele gern in den Mund nehmen, kommt dabei gar nicht vor. Was bei Männern, die einmal mit Macht ausgestattet waren, ja recht selten ist. Und als Generalmusikdirektor hatte er durchaus Macht und Verantwortung. Doch er sagt gelassen: „Ich habe das jetzt wirklich fast zwölf Jahre gemacht, ich glaube, ich kann das, aber ich muss nicht den Rest meines Lebens damit vollstopfen.“

Denn die eine Seite der Macht eines GMD sei eben auch: die ständige Auseinandersetzung mit einem Orchester, dem Ensemble, den Stadträten, dem Oberbürgermeister, dem Kulturreferenten, dem Intendanten. Und wenn man ihm vorhält, Dirigenten seien doch von Natur aus Alpha-Tiere, dann antwortet Jonathan Seers lächelnd: „Dann bin ich eben ein Beta- oder Gamma- Tier.“ Jetzt steht also der Umzug zurück nach Hannover an, dann ein Urlaub in der Schweiz und im Schwarzwald, ja, und danach wieder das Dasein als freier Künstler. Was ganz so frei denn doch nicht ist, denn Seers hat Verpflichtungen an der Oper in Hannover und beim Orchester des NDR; außerdem unterrichtet er Studenten an der Musikhochschule und kommt dafür einmal in der Woche nach Würzburg zurück. Den Rest der Zeit aber will er mit dem verbringen, was ihm wirklich am Herzen liegt: Komponieren und arrangieren.

Er schreibt für einen Knaben- und einen Mädchenchor, und er freut sich darauf, das wiederaufzunehmen, was in den letzten zwei Jahren zu kurz kam - für seine Frau zu komponieren, die Sängerin Carmen Fuggis. Mit ihr zusammen tritt er als Klavierbegleiter auf, gemeinsam veranstalten sie ernste Liederabende und „unernste Programme“. „Und ab und zu will ich etwas Gescheites dirigieren.“ Repertoirelücken sind noch vorhanden, die fünfte, siebte und neunte Symphonie von Anton Bruckner stehen auf dem Wunschzettel.

Im Bereich Oper fehlen Wagners „Meistersinger von Nürnberg“ und Verdis „Don Carlos“. Den „Don Giovanni“ - „meine Lieblingsoper“ - hat er bisher nur in einer einzigen Aufführung ganz am Anfang seiner ersten Würzburger Zeit dirigieren können. Dafür konnte sich Jonathan Seers in seiner zweiten Würzburger Amtszeit einen Kind- heitstraum erfüllen. Als kleiner Junge in England hatte er sich einst vom Taschengeld seine erste Langspielplatte gekauft: „Die Planeten“ von Gustav Holst - und daraufhin beschlossen, Dirigent zu werden.

Es hat lange gedauert, und er hat dafür zum zweiten Mal Generalmusikdirektor in Würzburg werden müssen, bis es so weit war - doch 2009 dirigierte Jonathan Seers endlich und erstmals Holsts „Planeten“ mit dem glückseligen Lächeln des kleinen Jungen von damals. Wer dabei war, wird es nicht vergessen.

Bildnachweis: Christian Weiss

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