Volker Ringe über sich und den Beruf des Schauspielers im Allgemeinen

von Susanna Khoury

Mit jedem Wechsel an ein neues Theater steigt man in einer neuen Stadt neu ein, das alte soziale Umfeld kippt weg und der Ort, an dem man sich sofort wieder aufgehoben fühlt, ist das neue Theater, das alten Gesetzen folgt. Daher glaube ich an so etwas wie eine Theaterfamilie“, sagt Volker F. Ringe (45), festes Ensemblemitglied am E.T.A.-Hoffmann-Theater in Bamberg. Und er weiß, wovon er spricht, der gebürtige Bremer, der eigentlich Schifffahrts-Kaufmann gelernt hat und erst auf Umwegen die Schauspielerei als Traumberuf für sich entdeckt hat.

Nachdem er in Hamburg beim ersten Anlauf (mit 18 Jahren) durch die Aufnahmeprüfung der Schauspielschule gerauscht ist, besann er sich auf etwas Solides, nämlich die Ausbildung zum Schifffahrts-Kaufmann in Bremen. Diese brach er ab zugunsten eines Studiums der Theaterwissenschaft in Berlin. Dort stand er auch zum ersten Mal auf den Brettern, die von nun an für ihn die Welt bedeuten sollten – auf denen der Freien Volksbühne, dem Renaissance-Theater und des Deutschen Theaters. Und jetzt war auch die Zeit reif für die Schauspielschule. Sein erstes richtiges Engagement nach dem Abschluss war in Celle. Weitere Stationen waren Gießen, Kassel, Baden-Baden und Nordhausen und nun das E.T.A.-Hoffmann-Theater in Bamberg, wo er seit dieser Spielzeit fest zum Ensemble gehört. In seiner Kölner Zeit war er auch über längere Zeit in Film & Fernsehen präsent zum Beispiel in Serien wie „Alarm für Cobra 11“, „Die Wache“, „Herzschlag – Das Ärzteteam Nord“ oder Polizeiruf 110“. „Beim kommerziellen Fernsehen geht man am hin, macht seinen Job, ja keine Vorschläge und geht wieder. Das ist schön fürs Bankkonto, aber nicht für die Entwicklung der eigenen Person. Man bekommt für zwei Drehtage mehr als im Theater im ganzen Monat, dennoch finde ich Theater reizvoller“, resümiert der Schauspieler, der in Bamberg gerade einen 20jährigen Studenten im „Vetter aus Dingsda“ genauso überzeugend spielt wie einen 70jährigen Mönch in Ecos „Der Name der Rose“. „Ich bin gerade quer Beet besetzt, das stimmt. Dennoch gibt es Rollen, das liege ich drauf wie auf keinen anderen“, so Ringe. Als da wären in „Der Gott des Gemetzels“, das demnächst im E.T.A. auf dem Spielplan steht, der leicht arrogante Wirtschaftsanwalt, der schlecht mit Frauen umgeht, selbst sehr unsicher ist und auch seine weiche Seite hat oder auch Henry Higgins aus „My Fair Lady“, dem es schwer fällt, Menschen an sich heran zu lassen und der Schutzwälle aufbaut, um ja nicht verletzt zu werden. „Auch wenn das nicht besonders sympathisch klingt, das sind Rollen für die ich typmäßig gern besetzt werde“, gibt der Vollblutschauspieler Ringe offen zu. Und wenn er auf sein „privates Repertoire“ zurückgreift, eine Hand breit Abstand zu sich selbst bewahrt, dann ist Theater spielen so etwas wie Selbsttherapie. „Wenn man es schafft, sich selbst, seinen Charakter in der Rolle zu analysieren und Schlüsse für sich daraus zu ziehen, kann man große Entwicklungsschritte als Person machen. Wenn man sich jedoch selbstverliebt in der Rolle verliert oder gar in die Rolle flüchtet, führt das zu einer Ausweglosigkeit, die nur in einer Sackgasse enden kann.“ Ringe kam aus einem Elternhaus, wo Berührungen nicht auf der Tagesordnung standen, sondern eher Kämpfe ausgetragen wurden, daher war es für ihn ein enormes Aha-Erlebnis auf der Schauspielschule zu erfahren, wie einfach es ist zu berühren… „Früher fand ich es eigenartig, dass sich Theaterleute ständig umarmen. Heute finde ich es selber schwierig, es nicht zu tun. Man arbeitet monatelang intensiv zusammen, sagt seiner Partnerin auf der Bühne, Dinge, die man seiner Partnerin zuhause vielleicht niemals sagen würde und dann kommt der Abschied.“ Und obwohl Abschiede ja immer ein bisschen traurig sind, müssen sie doch sein. An dieser Stelle verabschieden wir uns fürs Erste von Volker F. Ringe, einem Mann über den wir im Interview ziemlich viel erfahren haben, auch wenn er auf meine Einstiegsfrage „Wer ist Volker F. Ringe?“ geantwortet hatte: „Wenn ich das wüsste…!“.

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