Leporello im Gespräch mit Intendant Markus Trabusch über gestern, heute und morgen

von Susanna Khoury (erschienen in Ausgabe 9/2017)

„Wir werden mit Chor, Orchester, Ballett und Schauspiel gegen Ende der Spielzeit auf der Landesgartenschau auftreten. Das sind weitere Projekte, sich mit der Stadt zu verweben“, betont Intendant Markus Trabusch.Leporello (L): Was ist in Ihrer ersten Spielzeit gut gelaufen? Wo ist noch Luft nach oben?
Markus Trabusch (MT): „Luft nach oben ist letztlich immer. Es wäre schlimm, wenn ich etwas anderes sagen würde. Aber wir haben künstlerisch sehr viel erreicht. Der Richtungswechsel, den ich wollte, ist ästhetisch erkennbar geworden und das bei anhaltendem Zuschauerinteresse. Insofern bin ich sehr zufrieden.“

L: „Wandel & Kontinuität“ war das Motto der ersten Spielzeit. Gewandelt hat sich das Schauspiel, nun ist das Ballett dran... Wie steht es um das Musiktheater?
MT: „Tatsächlich glaube ich, dass darstellende Kunst vom permanenten Wandel lebt. Wir können uns nicht einbetonieren und immer das Gleiche machen. Wir müssen uns bewegen, und das meint manchmal auch, personell bewegen. Der Wandel war im Schauspiel in der letzten Spielzeit. In dieser Spielzeit ist Kontinuität angesagt, denn wir haben das Ballett von Anna Vita noch die ganze Spielzeit. Ein leichter Wandel ist im Musiktheater: Wir haben ja schon mit meinem Beginn einen neuen Tenor engagieren können, Roberto Ortiz. Und diese Spielzeit, da haben wir mit Akiho Tsujii und Marzia Marzo zwei neue, junge, vielversprechende Sängerinnen ans Haus gebunden, so dass da auch ein Wandel erkennbar sein wird. Ansonsten ist der permanente Wandel das, was Theater umtreibt. Denn wenn man sich in der Kunst nicht bewegt, hört man auf, Kunst zu machen.“

L: Das hat dann auch damit zu tun, wie Sie das Theater in der Zukunft sehen?
MT: „Ich denke, da ist Würzburg geradezu prototypisch im Augenblick. Mit diesem großartigen Beschluss der Stadt, dieses Theater zu sanieren und dafür auch viel Geld in die Hand zu nehmen!

L: Nach vielen Jahren. Endlich!
MT: „Das ist manchmal so, aber wichtig ist, dass es jetzt kommt. Und Sie werden das in der Formsprache erleben. Dieses Theater wird sich nicht mehr wegducken, wie im Augenblick, sondern es wird eine völlig andere Vision von Theater als Mittelpunkt der Stadtgesellschaft sein. Dann wird es schlichtweg bessere räumliche Situationen bereit stellen können, um Treffpunkt zu werden für diverse Dinge, auch über die darstellende Kunst hinaus.“

Was lange währt… noch drei Spielzeiten – dann geht's endlich los mit dem Umbau des Theaters!L: Stichwort Umbauphase? Wie wirkt sich das auf die Spielpläne aus?
MT: „Es wirkt sich im Augenblick insofern auf die Spielpläne aus, geradezu unsichtbar, obwohl noch gar nicht gebaut wird, dass wir bestimmte Titel zum Beispiel im Musiktheater bewusst aufsparen für die Umbauzeit. Insbesondere Titel mit kleinerem Orchester, die man leichter an einem anderen Ort unterbringen kann. Oder konzertante Opernaufführungen... setze ich erst einmal nicht auf den Spielplan, weil ich weiß, die werden wir im neuen Haus noch oft genug erleben. Dann habe ich tatsächlich die Hoffnung, wenn 2019 die Bauarbeiten auf dem Vorplatz beginnen, dass wir in der Spielzeit 19/20 noch ganz normal im Großen Haus Theater machen können. Und das sind noch drei Spielzeiten!“

L: Es gab zahlreiche Neuerungen, neue Formate wie das W-Café oder ungewöhliche Außenspielstätten wie das Rathaus der Stadt. Sind weitere Novitäten geplant?
MT: „Ich hoffe, doch. Alles andere wäre Stillstand. Das W-Café ist ein neues Format, das ein bisschen untergeht in der Wahrnehmung: Ein Treffpunkt von Bürgern der Stadt und Geflüchteten. Da steht plötzlich unsere erste Kapellmeisterin mit der Posaune neben dem Studienleiter am Klavier und drei Geflüchtete und die machen zusammen Musik. Das ist für mich wirklich mit das Beste, was wir schaffen können - vernetzt mit dem Kulturspeicher.“

L: Operette, Musical. Das liebt der Würzburger Theatergänger ... Gibt es da „good news“?
MT: „Wenn diese Stadt endlich das sanierte Haus hat, gehe ich davon aus, dass das beste Voraussetzungen sind und so ist es auch gedacht, dass man eine Operette und ein Musical pro Spielzeit macht!“

L: Geschichten erzählen, das ist etwas, was man sich von Theater wünscht. Ich bin so sozialisiert, ich kenne Theater als Geschichtenwerkstatt ... Ist das ein bisschen in Vergessenheit geraten?
MT: „Auch ich habe eine unstillbare Sehnsucht nach Geschichten. Ich habe bewusst drei Regiearbeiten in der vergangenen Spielzeit vorgelegt... wer wollte, erfuhr über mich als Künstler etwas. Ich behaupte, man konnte in allen drei Abenden ohne vorherige Lektüre des einschlägigen Wikipedia-Artikels oder des Programmheftes den Aufführungen folgen. Ich glaube, dass Theater sich manchmal ein Stück selbst verloren hat und die Relevanz in der Selbstbespiegelung fand. Das ändert sich gerade wieder. Das andere ist…, es muss trotzdem Experimente geben dürfen, sonst landen wir bei „Malen nach Zahlen“. Allerdings müssen solche Prozesse begleitet werden. Es ist nämlich möglich, sich auf ungewohntes Terrain zu begeben, ohne gleich den Anschluss ans Festland zu verlieren.“

L: Also, ein Drahtseilakt zwischen Extremen?
MT: „Ja! Und ich glaube fest daran, dass sich Sehgewohnheiten eines Publikums ändern lassen. Es ist mir ein Anliegen, mit dem Würzburger Publikum eine gemeinsame ästhetische Reise anzutreten.“

L: „Sobald man passgenau fürs Publikum arbeitet... ist man schon wieder hintendran, oder?“
MT: „Genau. Und macht man nicht mehr Kunst, sondern Kunstgewerbe!“

L: „Und das geht nicht, wenn es Kunst sein soll?“
MT: „Nein, das ist letztlich nicht das, wofür die Gesellschaft so viel Geld aufwendet. Es muss diesen Motor der Unruhe, der kritischen Begleitung geben. Theater muss das leisten und sich das auch leisten können. Dass ich nicht vorhabe, das Haus leer zu spielen, müsste man nach der letzten Spielzeit erkannt haben. Aber dennoch will ich das Würzburger Publikum auf eine Reise einladen, bei der wir uns Stück für Stück vom sicheren Ufer entfernen - das Festland aber immer noch im Blick!“

Das Interview mit dem Intendanten des Mainfranken Theaters, Markus Trabusch, führte Leporello- Chefredakteurin Susanna Khoury.

Bildnachweis: Nik Schölzel, Falk von Traubenberg

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