Im Theater Sommerhaus weiß man, „Altwerden ist nichts für Feiglinge“

von nio (erschienen in Ausgabe 02/2023)

„Die Deutschen tun sich schwer mit dem Älterwerden“, schreibt das Portal Marktforschung.de mit Blick auf eine Ipsos-Studie aus dem Jahr 2018. „Mehr als jedem Zweiten (52 Prozent) bereitet das Älterwerden sogar explizit Sorgen.“ Die Gründe für das negative Bild vom Älterwerden seien ebenso vielfältig wie individuell, heißt es. Die Finanzen spielen ebenso eine Rolle wie der Verlust der Mobilität und des Gedächtnisses. Potenzielle Schmerzen und Einsamkeit verursachen den Menschen ebenfalls Kummer. Im Theater Sommerhaus in Winterhausen begegnet man diesem ernsten Themenkomplex mit entwaffnender Heiterkeit. Oder anders gesagt: Im Ensemble von Brigitte Obermeier sind gar „Himmlische Zeiten“ angebrochen.

„Schuld“ ist das gleichnamige Musical von Tilmann von Blomberg, Carsten Gerlitz und Katja Wolff. In diesem führen vier Schauspielerinnen dem Publikum auf höchst kurzweilige Art vor Augen, was am Ende des Tages wirklich zählt. Und das sind (wer hätte es gedacht) weder straffe Schenkel noch glattgebügelte Visagen. Unter der Regie und mit Live-Klavier-Begleitung von Martin Hanns entfaltet das Quartett in Person der gestressten Managerin Gaby (Christina von Golitschek), der gemütsruhigen, aber von Geldsorgen geplagten Hausfrau Doris (Mascha Obermeier), der vornehmen, aber an Gedächtnisverlust leidenden Frau Hagedorn (Brigitte Obermeier) und der nicht mehr ganz so jungen und zudem vom Ehemann betrogenen Schwangeren (Sylvia Legner) genau jene Sorgen, die auch im realen Leben zum Tragen kommen.

Alle Vier haben sie in der „Parkklinik zum Schwanenteich“ eingecheckt. Einem echten Schönheits-Eldorado, das wirklich alles anbietet – von der Lidstraffung bis hin zur Universaloptimierung. Das Credo der Klinik: „Altern ist kein Naturgesetz, sondern eine universelle Katastrophe“. Zunächst sind (zumindest drei der vier) Damen „voll auf Kurs“. In schwindelerregendem Tempo debattieren sie über ihre Gebrechen, die dafür zurechtgelegten „Lösungsansätze“ (Falten „wegfressen“ ist nicht wirklich eine Option) und besingen das „Altern“ in perfekter stimmlicher Harmonie. Unter Zuhilfenahme bekannter Melodien aus der Rock- und Popgeschichte geht es um Ibuprofen und Hüftgelenke, Kleidung in Khaki, alternde Ehemänner und Omas dieser Welt. Wohl kaum einer in den Zuschauerreihen, der sich in den aberwitzigen Dialogen und wunderbar skurrilen Songzeilen nicht wiederfinden könnte. Doch keine Angst: Aufkommende Schwermut hat hier keine Chance. Zum Nachdenken regen „Himmlische Zeiten“ dennoch an. Wenn es die moderne Medizin nicht ist, die uns die Sorgen vor dem Älterwerden nehmen kann, was ist es dann? In Sommerhausen gibt es darauf eine klare Antwort: Es ist die Freundschaft und der Zusammenhalt. Und beides gibt es ganz ohne Skalpell… Zu sehen ist „Himmlische Zeiten – Altwerden ist nichts für Feiglinge“ noch mindestens bis Anfang Juni.

Bildnachweis: Martin Hanns

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