„Fräulein Julie“ mit Dominique Horwitz und Judith Rosmair ist am 14. und 15. März im Theater der Stadt Schweinfurt zu sehen

von Nicole Oppelt (erschienen in Ausgabe 1/2021)

„Im vorliegenden Drama habe ich nicht versucht, etwas Neues zu schaffen – denn das kann man nicht –, sondern nur die Form entsprechend den Ansprüchen zu erneuern, die meiner Ansicht nach die des Menschen unserer Zeit sind. Zu diesem Zweck habe ich ein Motiv gewählt – oder mich von ihm fesseln lassen (…): das Problem des sozialen Aufstiegs oder Falls, das von bleibendem Interesse war, ist und sein wird“, schreibt der schwedische Autor August Strindberg im Vorwort zu „Fräulein Julie“ („Fröken Julie“).

Die einst als Skandal empfundene Tragödie über den Kampf zwischen Mann und Frau aus dem 1888 hätte eigentlich schon im vergangenen November das Schweinfurter Theaterpublikum fesseln sollen. Diese Vorstellungen mussten leider aufgrund der Corona-Krise entfallen. Doch Intendant Christian Federolf-Kreppel ließ sich nicht beirren und holt den Klassiker der modernen Beziehungsdramatik in einer Version des Renaissance Theaters Berlin nun Mitte März für zwei Tage in die Industrie- und Kunststadt. Zu sehen sind Judith Rosmair und Dominique Horwitz in einer Fassung und Inszenierung von Torsten Fischer.

Diese versetzt das Publikum in die Mittsommernacht auf ein schwedisches Landgut. Dort lebt Julie, Tochter eines Grafen und Gutshofbesitzers, die am liebsten das enge Gefängnis der Standesgrenzen sprengen möchte. Hausdiener Jean hat ebenfalls einen Traum – den vom sozialen Aufstieg und Prestige. Obschon so verschieden, haben sie viel gemein: Beide haben eine unbefriedigte Sehnsucht nach Freiheit, nach Liebe und streben verzweifelt nach Individualität. In der erregenden Atmosphäre jener besonderen Nacht lassen sie sich aufeinander ein. Ungehemmt flirtet Julie mit Jean, provoziert und beschimpft ihn, wird zudringlich – bis er zögernd nachgibt. Ein raffiniertes Spiel um Liebe und Macht beginnt – und im Licht des neuen Morgens sind die Rollen vertauscht: Jean ist Herr der Lage, Julie die Gefallene und Gedemütigte. Die Folgen sind fatal. „Ich habe meine Figuren als moderne Charaktere entworfen, in all ihrer Unsicherheit und Zerrissenheit, zusammengesetzt aus Altem und Neuem, als Figuren einer Übergangszeit“, schreibt Strindberg. Die Handlung gehe eigentlich nur zwei Personen an, weil er „bemerkt zu haben glaube, dass (…) die Menschen unserer Tage (…) sich nicht mit einem Ereignis zufriedengeben, ohne zu erfahren, wie es zugegangen ist! Wir wollen gerade die Fäden sehen, die Maschinerie, die Schachtel mit dem doppelten Boden untersuchen, den Zauberring anstecken, um die Naht zu finden, in die Karten gucken, um zu ermitteln, wo sie gezinkt sind.“ Seine Gedanken, in dem für die Entwicklung des modernen Theaters wegweisenden Vorwort, ziehen bis heute in den Bann.

Wir müssen den Dingen auf den Grund gehen. Denn es geht damals wie heute um die Überwindung gesellschaftlicher Grenzen, die letztendlich auch Geschlechtergrenzen sind.

i
www.theater-schweinfurt.de

Bildnachweis: Daniel Devecioglu

Anzeigen