Thomas Kopp zeigt an vier Tagen OpenAir-Tanzstück „Herzschlag“ in Würzburg

von Pat Christ (erschienen in Ausgabe 7/2021)

Was sollte man im Lockdown schon anderes tun als Lesen? (Szene mit Sonja Golubkowa)

Es ist Sommer. Die Inzidenzzahlen sinken. Das Leben läuft wieder etwas normaler. Kultur darf wieder sein. Und so zeigt der Würzburger Tanzspeicher endlich eine neue Produktion. „Herzschlag“ nennt sich die im Wortsinne „herzerfreuliche“ Choreografie von Thomas Kopp mit vier Tänzerinnen und einem Tänzer, die an vier Tagen Open Air am Belvedere-Bogen auf dem Gelände der Landesgartenschau zu sehen ist.

Die Pandemie soll bewusst nur die zweite Geige spielen: Bei den vier Vorstellungen vom 22. bis 24. Juli geht es um Gefühle. Berührungen. Umarmungen. Küsse. Um all das, was wir alle so schrecklich lange vermisst haben. Wobei wir dann doch beim Thema wären. Aber wie auch anders. Es wäre albern, so zu tun, als würde wir nicht in einer viralen Krise leben. „Corona schwingt mit“, sagt Tanzspeicher-Leiter Thomas Kopp. In manchen textlichen Passagen des 70-Minüters kommt die Pandemie ganz direkt zum Tragen: „Was ­hast du am meisten vermisst?“ Wer könnte da nicht sofort was erzählen? Auch die fünf Tänzer vom „kollektiv anderer tanz“ erzählen. Von dem, was auf der Strecke blieb.

In „Herzschlag“ beschäftigt sich Kopp intensiv mit dem Phänomen „Rhythmus“. Und zwar vor dem Hintergrund, dass uns die Pandemie aus unserem gewohnten Rhythmus katapultiert hat. Sie hat unser einzelnes, aber auch unser kollektives Herz anders schlagen lassen. Langsamer als sonst. Weil all die Inspirationen, die normalerweise für freudiges Herzklopfen sorgen, weggefallen sind. Dann wieder schneller als bisher. Weil die Angst das Herz jagen ließ. Die Angst vor dem dämonischen Erreger. Der killen kann.

Nachdem das fortwährende Reden über die Pandemie inzwischen richtig nervt, gleichzeitig aber, und das ist nur vermeintlich ein Paradox, das Redebedürfnis groß ist, geht Thomas Kopp in seiner neuen, multimedialen Produktion einen klugen Weg. Das Leichte, Schöne überwiegt. Die Verheißung: Vielleicht wird es doch mal wieder ähnlich unbeschwert, wie es war. Dennoch wird das Publikum nicht völlig aus der Wirklichkeit gebeamt – die inzwischen auch wieder erträglicher ist.

Es gibt wieder die Möglichkeit, Kultur zu genießen. Sich von Kultur inspirieren zu lassen. Sich anregen zu lassen, zu reflektieren. Über das, was war. Was ist. Das, was wir inzwischen gelernt haben. Und das, was wir aus der herzensarmen Pandemiezeit unbedingt lernen sollten.

 

Bildnachweis: Pat Christ

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