Martina Esser inszeniert im Theater Chambinzky „Die Tanzstunde“

von Pat Christ (erschienen in Ausgabe 11/2022)

Bisweilen muss man mit dem größten Zartgefühl ans Werk gehen, um sein Gegenüber nicht vor den Kopf zu stoßen oder gar zu verletzen. Vor dieser Herausforderung steht auch Senga. In der Komödie „Die Tanzstunde“ begegnet die Tänzerin, deren Karriere nach einem Unfall auf der Kippe steht, dem Asperger-Autisten Ever. „Der soll bei einer gesellschaftlichen Verpflichtung tanzen, erträgt jedoch Berührungen nicht“, so Martina Esser, deren Inszenierung von „Die Tanzstunde“ seit dem 3. November im Würzburger Theater Chambinzky zu sehen ist.

Das Stück von Mark St. Germain handelt von der Verunsicherung, die das „Anderssein“ einer Person auslösen kann. Und es ist ein Paradestück darüber, wie bereichernd es sein kann, sich auf das „Andere“ einzulassen. „Senga wird durch Evers Auftauchen und durch seine unkonventionelle Art aus ihrer vermeintlichen Komfortzone katapultiert“, erzählt die Regisseurin vom Plot. Zunächst unwillig, öffnet sie sich allmählich und lässt sich auf Ever sein. Und umgekehrt passiert das Gleiche. „Am Ende werden beide für ihre Courage belohnt.“

In „Die Tanzstunde“ wird eine Herausforderung beleuchtet, die in unserer multikulturellen und offenen Gesellschaft virulent ist: Immer häufiger begegnen uns Menschen, die „anders“ sind. „Ich glaube, es ist entscheidend, wie wir mit dem Gefühl der Verunsicherung, das ‚Anderssein‘, in welcher Form auch immer, in uns auslösen kann, umgehen lernen“, sagt Esser. In ihrer Inszenierung legt sie großen Wert auf ausdifferenzierte Figuren jenseits von Klischees sowie auf ein glaubwürdiges intensives Zusammenspiel.

Die eingesetzte Technik in Form von Videoeinspielungen und Musik unterstützt das Anliegen, die Zuschauer in den Bann zu ziehen. Laut Theaterleiter Csaba Béke setze sich das Theater Chambinzky ab dieser Spielzeit verstärkt dafür ein, den Theaterbesuch für Menschen, die „anders“ sind, attraktiver zu gestalten und so Barrieren in der Rezeption abzubauen. „In einem ersten Schritt wird es Abende im Chambinzky geben, die von Gebärdensprachdolmetscher:innen simultan übersetzt werden und mittel- und langfristig sind auch Theaterstücke für Menschen mit Autismus geplant“, so Béke.

Bildnachweis: Oliver Mack

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