Neue Annäherung an das Thema Glück, Teil 7

von Susanna Khoury (erschienen in Ausgabe 2/2012)

If you love something, set it free. If it comes back to you, it is yours... if not, it was never meant to be!

Ein weiterer Versuch der Annäherung an den Begriff „Glück“ – mit neuen Statements von Persönlichkeiten aus Kultur, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

Für Mystiker und Philosophen aller Kulturen ist das Loslassen der Königsweg zu einem glücklichen, erfüllten und gelungenen Leben. „Wer werden will, was er sein sollte, der muss lassen, was er jetzt ist“, predigte Meister Eckhart, der große deutsche Mystiker des Mittelalters. Aber nicht nur die christliche Schule sieht im Loslassen den Weg zu mehr Freiheit für sich und andere.

In das Credo stimmen muslimische Sufis, Anhänger schamanischer Kulturen und Zen-Schüler ebenso mit ein wie einst Sokrates, der sich mit dieser frühen Erkenntnis im wahrsten Sinne des Wortes um Kopf und Kragen geredet hat. Sein dauerndes Infragestellen von allem und jedem und die Befürwortung eines Abnabelungsprozesses durch Loslassen bescherte dem griechischen Philosophen das Todesurteil durch die Athener Volksversammlung (Loslassen von Althergebrachten ist damals wie heute für die Griechen – so scheint es - ein schwieriges Unterfangen).

Aber bevor wir den Stab brechen über Gott und die Welt, wissen wir denn, wie das geht und was es bedeutet? Loslassen!? Sylvia Wetzel, die Pionierin des Buddhismus im Westen, hält meine Lieblingsdefinition von „Loslassen“ mit einem augenfälligen Beispiel bereit: „Nehmen Sie einen Kugelschreiber in die Hand und halten ihn fest. Jetzt öffnen Sie die Hand und lassen ihn los.

Fällt er auf den Boden, verwechseln sie Loslassen mit Verlieren. Bleibt er in der geöffneten Hand liegen, halten Sie nicht fest, können den Stift aber weiterhin verwenden.“

Es ist die gleiche „Message“, die der brasilianische Autor Paul Coelho in seinem bekanntesten Werk „Der Alchimist“ transportiert: „If you love something, set it free. If it comes back to you, it is yours ... if not, it was never meant to be!“ („Wenn du Etwas liebst, gib´ es frei.

Kommt es zu dir zurück, ist es Deines...wenn nicht, sollte es das auch nie sein!“) Coelho ist einer der meistgelesenen Autoren der Welt. Seine Bücher werden in 73 Sprachen übersetzt und in 160 Länder der Erde verkauft. In einer Kolumne über die Magie des Neuanfangs im Magazin „happinez“ plädierte er jüngst ganz massiv für das Loslassen, um sich immer wieder neu erfinden zu können: „Nur so werde ich bleiben, der ich bin und der ich gern wäre: eine ständige Überraschung für mich selbst.

Dieses Ich, das weder von meinem Vater noch von meiner Mutter oder meiner Schule, sondern von all dem geschaffen wurde, was ich bis heute erlebt habe, das ich vergaß und jetzt wiederentdecke.“ Das Plädoyer fürs Loslassen hakt nur an einer Stelle, nämlich an der Umsetzung in die Praxis. Hier stehen uns wir uns wie so oft im Leben selbst im Wege.

Loslassen, das Gegenteil von Festhalten, geht immer auch mit einem Verlust von Sicherheit, mit einem Abschied von Gewohnheiten und einem Bruch mit Vertrautem einher. Und hier kommt unsere Angst ins Spiel. Angst als Hemmschuh für Freiheit, die wir beim Loslassen erfahren würden. Wenn man sich jedoch vergegenwärtigt, dass bei Licht besehen, es sowieso nicht in unserer Macht steht, etwas oder jemanden festzuhalten, wie sehr wir es auch wollen, müsste doch das Loslassen ein Leichtes sein?

Ein weiteres Hindernis auf dem Weg zum Loslassen ist das Sich- selbst-Infragestellen, was unweigerlich passieren muss, wenn man sich neu erfinden möchte. Aber wer distanziert sich schon gern von einem Bild, das er/sie mühsam gezimmert und inszeniert hat und reißt eine Fassade ein, ohne zu wissen, was sich dahinter wirklich verbirgt? Oder ob sich eine neue überhaupt aufbauen lässt?

No risk, no fun! Respektive no freedom! Das Geschenk der Freiheit, des Glücks und eines erfüllten Lebens bekommt man halt nicht geschenkt, man muss schon etwas dafür tun! Aktiv sein! Loslassen! Und wen es ein wenig beruhigt, auch Mutter Theresas Credo geht in diese Richtung: „Dinge loszulassen bedeutet nicht sie loszuwerden. Sie loszulassen, bedeutet, das man sie sein lässt!“

Leben und leben lassen also? Fast, aber auch nicht ganz. Ein bisschen mehr Aktionismus ist dann schon von Nöten. Kaiser Marc Aurel, Römer und Philosoph, reflektierte in seinen „Selbstbetrachtungen“, dass Glück und Loslassen allein von der Beschaffenheit unserer Gedanken abhänge. Dinge sind nicht wie sie sind, sondern wie wir sie sehen und bewerten.

Daher sein Postulat: „Mach dich von deinen Vorurteilen los, so bist du gerettet!“ Es ist demnach nicht Situation, der Status, oder eine Person, die uns am Festhalten fest halten lässt, sondern unsere eigene Verbundenheit damit, die wir glauben nicht auflösen zu können.

Erst wenn wir das Loslassen zulassen, lassen wir ab von alten Mustern und lassen uns ein auf Neues und lassen zu, dass wir uns neu erfinden und damit glücklich werden!

Bildnachweis: Privat

Anzeigen