Vor dem Spiel ist nach dem Spiel...

von Glosserello (erschienen in Ausgabe 6/2010)

„Es gibt nur etwas, das noch sinnloser ist als Fußball: Nachdenken über Fußball.“ Schrieb Martin Walser. Er hat ja so recht. Nur wird es vermutlich so sein, dass er trotzdem Fußball guckt. Vielleicht sogar Bier dazu trinkt. Und lauthals „Toor“ schreit.

Natürlich für Deutschland ist, das ist er ja sowieso. Eine Fahne am Auto wird er hoffentlich nicht spazierenfahren, aber wer weiß das schon. Vielleicht beflaggt er sein Haus am Bodensee. Denn auch Schriftsteller und Künstler sind für Fußball, und deutsche Schriftsteller und Künstler sind dann auch für Deutschland. Letzteres ist irgendwie natürlich, ersteres nicht unbedingt. Denn Fußball ist ein Massensport, bei dem Massen johlen und lärmen.

Und Schriftsteller und Künstler distanzieren sich gern von der Masse, machen sich nicht gemein. Beim Fußball ist das aber anders. Viele Intellektuelle mögen Fußball. Schauen Fußball. Reden über Fußball. Sie philosophieren sogar darüber. Sie stellen gedankliche Verbindungen zu den erhabenen Wettkämpfen der Antike her. Sehen in hundsgewöhnlichen Fußballspielern heldenhafte Gladiatoren.

Sprechen, wie der spanische Erfolgsautor Javier Marias, sogar von „tragischen Charakteren“. Das Fußballstadion als Verheutigung der Schlachtfelder früherer Zeiten. Nation gegen Nation, Mann gegen Mann. Der Ball als Symbol des Globus, der Erdkugel, mit der titanenhafte Göttersöhne ihr Spiel treiben.

Allerdings können alle hochintellektuellen Fußballfans nicht in Abrede stellen, dass Fußball als Sujet der Hochkultur nie getaugt hat. Der Malerfürst Markus Lüpertz hat zwar mal einen Fußball gemalt (was nicht so schwer ist), aber sonst Fehlanzeige. Von Fra Angelico bis Picasso ist da nichts überliefert. Und auch die Literatur schweigt zu diesem Thema.

Gut, Peter Handke ist da wieder ein bisschen aus der Reihe getanzt, aber auch nur scheinbar. Seine Erzählung „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“ ist nämlich überhaupt kein Fußballbuch, sondern die triste Geschichte eines Mörders auf der Flucht; der Typ heißt Bloch und könnte höchstens über das Prinzip Hoffnung irgendwie mit den Ambitionen der deutschen Nationalmannschaft in Verbindung gebracht werden.

Und auch die Musik, der ja Bewegung und Rhythmus innewohnt, hat – es ist von der klassischen Musik die Rede! – die mehr oder minder rhythmischen Bewegungen eines Fußballspiels nicht in Töne überführt. Gustav Mahler hat seine 90-minütigen Symphonien anderen Dingen gewidmet.

Selbst John Cage oder Karlheinz Stockhausen, sonst für jeden Blödsinn zu haben, kamen nicht auf die Idee, ein Streichquartett für 22 Holzbläser, einen Lederball und eine Trillerpfeife zu komponieren. Was eigentlich schade ist.

Anzeigen