Non-Profit-Newcomernetzwerk „local heroes“ veröffentlicht wissenschaftliche Grundlagenerhebung

von Nicole Oppelt (erschienen in Ausgabe 05/2023)

Der Großteil der Kulturvereine in Deutschland wird ausschließlich durch ehrenamtlich engagierte Menschen getragen, lediglich in jedem siebten Kulturverein sind bezahlte Beschäftigte tätig – so heißt es in einem vom Stifterverband veröffentlichten Papier des Dachverbands der Kulturfördervereine (2020). Mit den Motiven und Herausforderungen für Engagement beschäftigte sich der Verein Aktion Musik / local heroes e.V. Damit begibt sich der Verein nicht nur auf Neuland, sondern erstmals wird bundesweit zu diesem Fokusthema qualitativ geforscht. 

Nach dem 2021 veröffentlichten Ehrenamtsmagazin „Heldentaten“ folgt nun eine Grundlagenstudie, in der ehrenamtlich agierende Personen aus dem Musikbereich umfangreiche persönliche Einblicke in das Leben und die Beweggründe ihres Engagements geben. Gemeinsam mit dem Musikjournalisten und Autor Dr. Ole Löding und den Wissenschaftlerinnen Jennifer Scholl und Dr. Anja Wartmann ging es auf wissenschaftliche „Spurensuche“.

„Weil unsere Gesellschaft das braucht“, mit diesem so einfachen, wie prägnanten Satz bringt Max Kupfer auf den Punkt, was für knapp 40 Prozent der Gesamtbevölkerung ab 14 Jahren selbstverständlich ist: ein Ehrenamt. Kupfer, der im Rahmen des Projekts „local heroes“ unter anderem für die Bandbetreuung zuständig ist, sagt weiter: „Weil wir ein Miteinander brauchen und weil wir feststellen, dass wir miteinander deutlich mehr erreichen können als alleine.“

Corona-Pandemie hat Ehrenamt massiv geschwächt

So wahr eine solche Erkenntnis ist, so prekär ist auf der anderen Seite die Situation hierzulande. Dr. Ole Löding skizziert diese vor dem Hintergrund der vergangenen Pandemie-Jahre wie folgt: „Die kulturelle Infrastruktur ist stark geschwächt: Auftrittsstätten und Clubs mussten schließen. Personal in Kulturstätten und soziokulturellen Zentren befand bzw. befindet sich in Kurzarbeit.“ Ehrenamtler:innen, so der Autor von „Sound of the Cities“, mit freier kreativer Tätigkeit, deren Ausübung in der Corona-Pandemie nicht mehr möglich war, hätten ihren Job wechseln müssen und häufig auch den Wohnort, befänden sich in einer beruflichen Neuorientierung oder wirtschaftlichen Existenznöten. Organisationen und Vereine, die die Arbeit von Ehrenamtler:innen begleiten, betreuen und anleiten, seien durch die Corona-Pandemie in finanzielle Schwierigkeiten geraten, hätten ihre Angebote reduziert. Andere hätten ihre Tätigkeit ungewollt unterbrochen bzw. beendet und müssten jetzt neu von einem Wiedereinstieg überzeugt werden. Und das „bei gleichzeitig in den jeweiligen Vereinen und Organisationen geringeren personellen und finanziellen Ressourcen“. 

Kinder und Jugendliche orientieren sich neu

Kinder und Jugendliche hat es ebenfalls hart getroffen. Sie „durften sich über einen langen Zeitraum nicht mit ihrem Hobby beschäftigen“. Hierzu zählt Dr. Ole Löding das aktive Musizieren, was weiterhin zu den führenden Freizeitbeschäftigungen zähle. Der Weg von aktiver Beschäftigung in einem Hobby hin zu einer nachhaltigen Beschäftigung mit diesem Thema als Ehrenamt sei ihm zufolge somit länger und komplizierter geworden. Auf der anderen Seite seien auch direkte Kontakte zu Kindern und Jugendlichen durch die Organisationen abgebrochen oder eingeschränkt.

Die Auswirkungen auf den gesamten Kulturbereich sind fatal. Löding verdeutlicht das anschaulich, indem er unter anderem auf den ZiviZ-Survey von 2017 verweist. Darin heißt es: „Die meisten Kulturfördervereine (86 %) sind rein ehrenamtlich getragen. Ohne diese freiwillig Engagierten gäbe es diese Kulturfördervereine nicht.“ Stark unterrepräsentiert seien allerdings junge Menschen und Schüler:innen, so Löding weiter. Ihr Engagement richte sich stärker auf den schulischen Bereich selbst oder den Sportbereich. 

Insgesamt attestiert Löding dem Kulturbereich Diversitäts- und Nachwuchsprobleme. Menschen mit Migrationshintergrund sind deutlich unterrepräsentiert – aus den unterschiedlichsten Gründen. Hierzu schreibt er: „Zwar hat der Anteil der Akteur:innen mit Migrationshintergrund in den vergangenen Jahren geringfügig zugenommen, er liegt aber weiterhin gerade einmal bei 14 Prozent.“ Und junge Menschen, die sie sich in Vereinen und Organisationen engagierten, hätten ihr Engagement zu einem immer größeren Teil in den Bereich der digitalen Sphäre verlagert. Löding mahnt: „Gerade etablierte Engagement-Organisationen wie Vereine, Kirchen, Stiftungen oder Genossenschaften müssen im Blick behalten, hier nicht den Anschluss zu verlieren.“

Persönlicher Kontakt gibt Anstoß für Ehrenamt

Die Frage lautet also: Quo vadis Ehrenamt? Aufschluss – wenn auch nicht repräsentativ – könnte hier Aktion Musik / local heroes e.V. geben. Der in Salzwedel ansässige Verein zur Förderung junger Musiker:innen und von Menschen, die sich für Musik und Medien interessieren, unterstützt bereits seit 1989 popmusikalischen Nachwuchs. Und das bundesweit. Im Rahmen des Projektes „Netzwerkbildung im Kultur-Musik-Bildungsbereich“ wurden von Juni bis Oktober 2021 leitfadengestützte Interviews mit Ehrenamtler:innen geführt. „Sie“, so Löding, „bieten (…) lesenswerte, nachvollziehbare, konkrete und nahbare Einblicke in die Tätigkeiten der Engagierten.“ 

Eine wesentliche – und bisher statistisch nur schwach abgebildete Erkenntnis: „Fast alle Einstiege in das Ehrenamt sind durch einen persönlichen Kontakt und eine persönliche Ansprache gelungen.“ Der Studienautor konstatiert: „Bei allen nachvollziehbaren Forderungen, das Ehrenamt und die Ansprache von Interessierten digitaler zu gestalten, darf, das kann hieraus geschlossen werden, die Ebene der persönlichen Kontakte unter keinen Umständen vernachlässigt werden.“ 

Ehrenamt ist Kompetenzgewinn

Entscheidend ist auch der Blick auf die Motivation. In seiner Studie beschreibt Löding das als ein „Zurückgeben von als positiv wahrgenommenen persönlichen Erfahrungen.“ Dieser Aspekt der Motivation für das Engagement sei in den Statistiken nicht besonders gut ablesbar. In den Interviews tauche er aber in vielfachen Varianten auf. Diese Freude an der Tätigkeit gehe sogar soweit, dass Gesprächspartner:innen mehrfach den Begriff der ehrenamtlichen Arbeit für sich gar nicht in Anspruch nehmen mochten. Eine der zentralen Voraussetzungen für diese „Freude an der ehrenamtlichen Tätigkeit“ sei jedoch ein Umfeld, das bestärke und nicht belaste. Als weiteres, gewichtiges Motiv kristallisierte sich Löding zufolge das „Finden neuer persönlicher Kontakte oder Freundschaften“ und damit verbundene, spezifische Kompetenzgewinne, wie etwa mehr soziales Bewusstsein, heraus. Selbstoptimierung spiele hingegen eine eher untergeordnete Rolle.

Seine Folgerung ist deutlich: „Im Gesamtbild zeichnen die Gespräche ein ausnehmend positives Bild des ehrenamtlichen Engagements. Umso bedeutender scheint es, möglichst vielen Menschen den zumindest potentiellen Zugang zu diesen Erfahrungen zu ermöglichen.“ Gelingen könnte das mittels einer ganzen Reihe von Ansätzen. Löding fasst diese in insgesamt 30 Handlungsempfehlungen für Vereine, und Organisationen, die mit Ehrenamtler:innen arbeiten, zusammen. Dabei konzentriert sich der Wissenschaftler vor allem auf die Themen Netzwerk-Bildung, Wertschätzung, nachhaltiges Recruiting, Diversität und Digitalität. Seine Hinweise sind ernst zu nehmen. Denn für nicht wenige Organisationen, Vereine und Institutionen könnten sie zur Überlebensfrage werden…

Hier finden Sie die vollständige Studie: https://www.local-heroes.de/blog/local-heroes-engagementstudie-2022

Die Umsetzung der Studie „Überlegungen zur Stärkung des ehrenamtlichen Engagements in der Musikförderung (2022)“ wurde finanziert dank Förderungen von Land Sachsen-Anhalt, Stiftung Deutsche Jugendmarke e.V., Lotto-Toto GmbH Sachsen-Anhalt, Landeshauptstadt Magdeburg, Kloster Bergesche Stiftung, Altmarkkreis Salzwedel und Hansestadt Salzwedel. Local heroes bedankt sich für die finanzielle Unterstützung!


Hier geht es zu dem Ehrenamtsmagazin „Heldentaten“: https://www.local-heroes.de/blog/heldentaten-das-ehrenamtsmagazin

Bildnachweis: Christoph Eisenmenger

Anzeigen