Stadt Würzburg überreichte erstmals den Jehuda-Amichai-Literaturpreis

von stw (erschienen in Ausgabe 11/2024)

Zu Ehren des in Würzburg geborenen Lyrikers Jehuda Amichai, der in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden wäre, hat die Stadt Würzburg am 9. Oktober erstmals – und zukünftig in zweijährigem Turnus – einen Literaturpreis mit Bezug zu jüdischer Geschichte und Kulturverliehen. Der mit 15.000 Euro dotierte Hauptpreis ging an Barbara Honigmann. Den Förderpreis in Höhe von 5.000 Euro erhielt Marianna Kijanowska.

„Nicht nur wegen der mehr als 900 Jahre währenden Geschichte der jüdischen Gemeinde Würzburgs und der damit verbundenen, tiefen Verankerung jüdischen Lebens in unserer Stadt, fühlen wir uns der jüdischen Geschichte und Kultur deutlich verbunden. Wir sehen uns vielmehr auch angesichts aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen und damit einhergehender Radikalisierung in der Pflicht, die Geschichte aber auch die Gegenwart jüdischer Kultur zu vermitteln und besonders zu fördern. Dies tun wir nun auch mit dem Jehuda-Amichai-Lite­raturpreis“, begründete Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt.
 
Vermittlungsbeitrag

Jehuda Amichai, einer der bedeutendsten jüdischen Lyriker und Romanciers des 20. Jahrhunderts, wurde 1924 als Ludwig Pfeuffer in Würzburg geboren, wanderte Mitte der 1930er Jahre – bedroht von den nationalsozialistischen Diskriminierungen – mit seiner Familie nach Palästina aus. Amichai starb im Jahr 2000 im Alter von 76 Jahren. Für sein Werk, insbesondere aber die revolutionäre Änderung der Sprache der hebräischen Dichtung, erhielt er, neben vielen internationalen Auszeichnungen, im Jahr 1982, auch den „Israel Preis“ des Staates Israel. Seine Geburtsstadt Würzburg ehrte ihn 1981 mit dem Kulturpreis der Stadt und benannte 2005 eine Straße nach ihm. Unlängst wurde am Würzburger Ringpark, an der Ecke Jehuda-Amichai-Straße und Friedrich-Ebert-Ring, dem Dichter zu Ehren ein Denkmal enthüllt, das von dem Reichenberger Künstler Michael Ehlers ausgeführt wurde. Dieses hatten der Würzburg liest e.V., die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Würzburg und Unterfranken und die Leonhard-Frank-Gesellschaft sowie zahlreiche private Spenderinnen und Spender ermöglicht.

Mit dem Jehuda-Amichai-Literaturpreis möchte die Stadt Würzburg herausragende literarische Einzelwerke sowie literarische Lebenswerke würdigen, die einen wertvollen Beitrag zur Sichtbarmachung, Vermittlung und Reflexion jüdischen Lebens und jüdischer Kultur leisten. Der Preis ist offen für zeitgenössische deutschsprachige oder ins Deutsche übersetzen Literatur, die entweder von jüdischen Autor:innen verfasst oder jüdisches Leben, Kultur und Geschichte (mit)thematisieren. Der Preis wird unterstützt von der Sparkassenstiftung für die Stadt Würzburg und dem Zentralrat der Juden in Deutschland.

Die erste Preisträgerin des Würzburger Jehuda-Amichai-Literaturpreises ist Barbara Honigmann. Die Schriftstellerin, geboren am 12. Februar 1949 in Ost-Berlin, stammt aus einer jüdischen Familie und wuchs in der DDR auf. Sie studierte Theaterwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin und arbeitete zunächst als Dramaturgin und Regisseurin, bevor sie als freie Schriftstellerin tätig wurde. „Barbara Honigmann erforscht in ihren Romanen jüdische Familienkonstrukte, die von historischen Umständen und der daraus entstehenden Zerrissenheit geprägt sind: Schonungslos, ehrlich, immer auch mit einem feinen Gespür für tiefsinnigen Humor“, so die Jury in ihrer Begründung. „Ihre Sprache ist zugleich klar wie poetisch, nie stellt sie ihre Figuren aus und traut sich dennoch da hinein, wo wir als Gesellschaft häufig nicht hinsehen wollen. Mit ihren Geschichten schreibt sie die jüdisch-europäische Geschichte in die deutschsprachige Literatur ein.“
 
Förderpreis

Den Jehuda-Amichai-Literatur­förderpreis erhielt Marianna Kijanowska für ihren Gedichtband „Babyn Jar. Stimmen“. Die ukrainische Schriftstellerin, Übersetzerin und Literaturwissenschaftlerin, geboren am 17. November 1973 in Schowkwa, studierte nach ihrem Schulabschluss Philologie an der Nationalen Iwan-Franko-Universität Lwiw. In ihrem literarischen Schaffen fokussiert sie sich hauptsächlich auf Gedichte und Übersetzungen. Die Begründung der Jury lesen Sie auf der Randspalte.

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