Rainald Goetz‘ „Baracke“ im Bamberger E.T.A. Hoffmann Theater

von nio (erschienen in Ausgabe 01/2025)

„Ich wollte ein Familienstück schreiben“, sagt der Schriftsteller Rainald Goetz. Er fragt sich jedoch: „Was heißt das?“ Familie sei ja etwas Einfaches, Uraltes, vom konkreten Grundsetting her auch noch in sich selbst schon Theatrales. In seinem Stück „Baracke“, das Ende Januar im E.T.A. Hoffmann Theater Premiere feierte, zeichnet er ein krasses Bild, das nachwirkt.

Das gibt der Autor auch offen zu. „Meine Weltsicht ist düster“, sagt Rainald Goetz. Woher sie komme, könne er nicht sagen. Für ihn folgt daraus aber unter anderem eine „generalisierte Weltpanik“.  Sein drittes Familienstück ist die direkte Konsequenz aus seinen Werken „Schlachten“ und „Kritik in Festung“. Während er vormals den Blick auf das Innere der Familie bzw. das Äußere, die Sprache, richtete, vereinen sich in „Baracke“ beide Aspekte. Es ist kompliziert. Es ist herausfordernd. Es ist verstörend – auch für das Publikum.

„Familie und Gewalt“ ist das zentrale Thema in „Baracke“. Für Goetz gehören sie zusammen. Daraus entsteht ein fundamental explosives Setting, das sich „fast normalhaft“, wie er sagt, in „gewalttätigen Ausbrüchen entlädt“. Das Publikum bekommt das an der Geschichte von Uwe und Bea vor Augen geführt. In vier Akten wird der Lebenslauf der Liebe aufgezeigt: vom ersten Verliebtsein bis zum Tod. Party, Liebe, Freunde, Familie.

Es könnte alles so schön sein, ist es aber nicht. Der Georg-Büchner-Preisträger führt eine weitere, historische Ebene ein: Abu Ghraib und NSU. Doch das reale politische Drama im Hintergrund verschweigt er. Er deutet es nur an, wird aber nie explizit. Ihm geht es um Vorbelastungen, Charakterpanzer, wiederkehrende Gewalt und Sprachlosigkeit. Horror, Traumata – sie können von Generation zu Generation weitergetragen werden. Dramaturgin Petra Schiller beschreibt das als „Verlinkungsmaschinerie“. Goetz lasse die Gespenster der Vergangenheit auf die Geister der Gegenwart treffen. Er schreibe gegen das Schweigen an.

Dem Regisseur Philipp Arnold und seinem Team, bestehend aus Viktor Reim (Bühne), Julia Dietrich (Kostüme) und Romain Frequency (Musik), gelingt hier gemeinsam mit dem Ensemble (Jeremias Beckford, Alina Rank, Leon Tölle, Barbara Wurster und Daniel Seniuk) etwas Beeindruckendes. Goetz‘ „Baracke“ findet in einem smart arrangierten Bühnenbild statt. Ein überdimensionaler Behang konzentriert den Blick auf eine riesige Projektionsfläche. Parallel erlebt das Publikum Video-Sequenzen und schauspielerische Handlungen. Licht, Nebel, bewegliche Elemente, oben, unten: Die Perspektiven wechseln permanent – auch die der Spielenden. Mal sind sie Akteure, mal Kommentatoren, mal beides gleichzeitig. Die Darbietung arbeitet in den Köpfen des Publikums nach. Sie regt dazu an – bei aller aufgezeigten Dramatik – sein eigenes Familienleben zu reflektieren, sich mit privaten und gesellschaftlichen Traumata auseinanderzusetzen. Mit offenem Ausgang… 


Info: www.theater.bamberg.de

Bildnachweis: Birgit Hupfeld

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