Leporello im Gespräch mit dem Kabarettisten Georg Koeniger

von Susanna Khoury (erschienen in Ausgabe 11/2015)

„Zwischen Weinen und Lachen schwingt die Schaukel des Lebens, zwischen Weinen und Lachen fliegt in ihr der Mensch“.

Dieses Zitat des deutschen Dichters Christian Morgensterns kann Kabarettist Georg Koeniger, seines Zeichens berufsmäßiger Spaßmacher, aber auch Autor des Buches „Trauer ist eine lange Reise“ unterschreiben.

Als vor zweieinhalb Jahren seine Frau an Lungenkrebs starb, sei das alles andere als lustig gewesen, wie er Leporello in einem sehr persönlichen Gespräch erzählt. Dennoch stand er, auch als sie immer kränker wurde, oftmals abends mit einem Kabarettprogramm allein oder mit anderen auf der Bühne.

„Selbst in den schlimmsten Zeiten, habe ich mich manchmal beim Lachen ertappt!“ Zunächst sei er erschrocken und fragte sich: „Darf ich das überhaupt?“ Auch nach dem Tod seiner Frau stellte man ihm die Frage: Darf ein Witwer witzig sein?.

„Nur, weil man auch mal lacht, heißt das ja nicht, dass man den geliebten Menschen, den man verloren hat, verrät... im Gegenteil!“.

In der Regel sind das eh nur kurze Momente, die wie Strohfeuer in der Dunkelheit aufflackern. Wenn sie erloschen sind, strahlt ihr Licht nur sehr wenig nach. „Als meine Frau schon sehr schwer krank war, und ich ihre Pflege durch meine Arbeit unterbrechen musste, freute ich mich dennoch auf den Auftritt. Für mich war es „therapeutisches Kaspern“.

Georg Koeniger ist nicht der traurige Clown gewesen, der lustig spielt...? „Nein, für die zwei Stunden war ich komplett draußen aus dem traurigen Alltag, übte meinen Beruf aus und genoss den Applaus“.

Und genau das habe ihm wieder Kraft gegeben, im realen Leben seiner Frau bis zum Ende zur Seite zu stehen. Als Künstler ist er extrovertiert. Wenn es anders wäre, könnte er seinen Beruf an den Nagel hängen. Auf der Bühne darf man wenig Hemmungen haben.

Dennoch hat er lange mit sich gerungen, ob er seine zu tiefst persönliche Geschichte der Trauer um einen geliebten Menschen öffentlich machen sollte. Leser und Leserinnen, die zutiefst berührt sind von seinem Buch, das ihnen auch in ihrer Trauer weitgeholfen hat, bestätigen ihm seine Entscheidung im Nachhinein.

Nicht nur durch das Buch, auch durch die Reise, die er ja wirklich antrat, allerdings nicht wie ursprünglich angedacht mit seiner Frau Andrea, sondern allein, nach ihrem Tod, für sie nach Santiago de Compostela, ohne sie, konnte er Abstand nehmen, verarbeiten und loslassen.

„Es war ja ihr Ziel gewesen, wieder gesund zu werden und den Jakobsweg zu gehen. Das wollte ich für sie noch machen, auch, wenn sie ihn nicht mehr mitgehen konnte!“ Allerdings ging er nicht zu Fuß, sondern stieg in Würzburg aufs Fahrrad.

500.000 Pedalumdrehungen 30 Tage und rund 2500 km später kam er in Santiago des Compostela an. „Trauer ist eine lange Reise“ – so der Titel seines Buches. Die Fahrt, wenn man so will, war die erste Etappe dieser Reise, wo viel auf der Strecke geblieben ist... .

„Zunächst habe ich ihr Foto beim Radfahren verloren, dann ging unser gemeinsames Zelt kaputt und schließlich wurde mir ihr Handy mit allen persönlichen Bildern und Daten, das ich für die Fahrt genommen hatte, weil meines kaputt war, geklaut!“, so Georg Koenigers etwas anderer Reisebericht.

Einige Dinge, die ihn ganz persönlich mit seiner Frau verbanden, kamen ihm bei dieser anstrengenden Tour abhanden. Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes auf der Strecke geblieben – fast schon symbolisch. So habe er das Loslassen geübt, meint Koeniger.

Am Anfang habe er sich von Tag zu Tag gehangelt und dachte, je weiter er von diesem schlimmen Ereignis weg wäre, umso leichter würde es... falsch gedacht: „Trauer ist nicht linear! Trauer ist aber auch nicht nur ein schwarzes Loch. Diese Machtlosigkeit, die du empfindest, hat auch etwas Friedvolles.

Weil man so gar nichts tun kann, ist man ganz bei sich!“ Trauer ist eine lange Reise, so nicht nur der Titel von Georg Koenigers jüngstem Buch, sondern auch seine feste Überzeugung. Trauer verändert sich, wird schwächer und dann wieder stärker. 

Die Zeit spielt dabei eine große Rolle, sie heilt. Ist ein Therapeutikum.

In vielerlei Hinsicht... „die Trauer hat mich auch transformiert. Ich habe lange nicht mehr soviel Bammel vor Premieren oder Misserfolgen, denn ich weiß, es gibt Schlimmeres.

Dadurch bin ich mutiger auf der Bühne geworden und gelassener im Leben!“, so das langjährige Mitglied der Kabarettgruppe TBC.

Info zum Buch "Trauer ist eine lange Reise":

Seine Frau Andrea glaubte lange, sie könne dem Krebs mit ihrer Hartnäckigkeit unter Zuhilfenahme alternativer Heilmethoden den Gar ausmachen. Danach wollte sie sich einen Herzenswunsch erfüllen, den Jakobsweg nach Santiago de Compostela wandern.

Dazu kam es nicht mehr. Im Frühjahr 2013 verlor die Frau des Würzburger Kabarettisten und Autoren Georg Koeniger 47jährig den Kampf.

Ein Jahr später hat er sich für Andrea mit dem Rad auf den Weg gemacht und seine Erfahrungen während der vierwöchigen Reise im steten Rückblick auf 22 gemeinsamen Jahre in einem bewegenden und ungemein offenen Buch festgehalten, das vielen Mut macht und Kraft gibt, die ähnliche Erfahrungen teilen.

„Trauer ist eine lange Reise“ ist eine sehr berührende Liebeserklärung an einen außergewöhnlichen Menschen und letztlich an das Leben selbst.

Während seiner „traurigen Auftragsarbeit“ wandelt Georg Koeniger mit einem Teil ihrer Asche in einer kleinen Urne in der Fahrradtasche auf einem labilen Grad, ohne jemals sentimental zu werden.

Die Tour verlangt ihm alles ab, was man sich vorstellen kann - Andreas Handy wird geklaut, das mitgenommene Foto von ihr verschwindet, Zelt und Fahrrad können den Anstrengungen kaum standhalten und sein Körper zeigt ihm deutlich Grenzen auf - und trotzdem gibt er – zuweilen am Sinn des Vorhabens zweifelnd – nicht auf.

Für den Leser wird Andrea in unzähligen Geschichten, in zitierten Kommentaren auf gewisse Weise lebendig, ganz so wie er es selbst während der Reise erfährt. Immer wieder springen seine Gedanken zurück. Spürbar wird die Belastung der letzten Wochen und Tage ihres Lebens sowie sein Hinundhergerissensein zwischen Pflichtbewusstsein und dem eigenem Überlebenswillen.

Allmählich, von Etappe zu Etappe, die er dem Leser lebendig und sehr bildreich nicht ohne Humor vergegenwärtigt, kommt er dem Geheimnis des Weges auf die Spur: „Was immer passiert ist, was immer gerade geschieht, man geht irgendwie weiter, Schritt für Schritt, Tritt für Tritt.“

Fast am Ziel angekommen, übergibt Georg Koeniger die Asche seiner Frau dem Wind und den Bergen in dem Bewusstsein, ihr immer nahe zu sein.

Die Reise hat ihn gelehrt: Trauer lässt sich nicht linear abbauen. Der Schmerz schleicht sich nur langsam aus seinem Leben, macht ihn aber bereit für ein neues Leben, das auf ihn wartet nach seiner Rückkehr aus Spanien.

Georg Koeniger:
Trauer ist eine lange Reise.
256 Seiten,
Malik Verlag 2015,
19.99 Euro

Bildnachweis: Norbert Schmelz Fotodesign

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